Montag, 10. Juli 2023

Für die Tour zu spät, für die Herberge pünktlich

10.07.2023 Les Billanges - Saint Leonard de Noblat (20,4 km, 4:30 Std) 

Heute steht mit rund 19 Kilometern die bisher kürzeste Etappe an. Wir stehen gegen 6 Uhr auf und Jörg deckt mit dem vorbereiteten Frühstück den Tisch im Aufenthaltsraum. Bis wir dann endlich fertig sind, wird es 7:45 Uhr. Die Verzögerung geht auf meine Kappe, da ich noch in den gestrigen Blogeintrag das von Jörg aufgenommene Lied von Francoise eingebaut habe. Die ersten 5 Kilometer kommen wir auf der D29 gut voran und erreichen nach noch nicht einer Stunde die Pont du Dognon über den Fluss Taurion. Da wir bis dahin einiges an Höhe verloren haben, geht es auf der anderen Seite über meist schattige Wald- und Wiesenwege durch unberührte Natur aufwärts, sodass wir das Tempo wieder etwas drosseln. Wir haben uns vorgenommen, in Le Châtenet-en-Dognon nach rund 19 Kilometern eine erste Rast einzulegen. Bereits am Ortseingang werden wir auf eine Bäckerei und einen Rastplatz an der Kirche hingewiesen. In der Bäckerei füllen wir unsere Wasservorräte auf und genehmigen uns dazu noch einen Snack. Während der Pause haben unsere Hemden die Gelegenheit, wieder in einen trockenen Zustand zu gelangen.

Wir lassen uns eine gute Stunde Zeit, denn den Schlüssel für die Pilgerherberge der Amis de Saint Jacques erhalten wie erst ab 14 Uhr in der Touristinfo. Der nächste Abschnitt führt uns auf einer Nebenstraße durch die pralle Sonne, ohne den Hauch von Schatten. Wir sind hocherfreut, als wir nach vier Kilometern wieder in ein Waldstück abbiegen können. Eine Viertelstunde später erreichen wir die ehemalige Mühle von Lajourmard, die ein idealer Platz für eine weitere Unterbrechung ist. Die Mühle scheint bewohnt zu sein, aber es ist niemand zu Hause. Wir nehmen auf einer Bank unter einem Mandelbaum Platz und lassen ein wenig die Beine baumeln. Ein Thermometer zeigt 26 Grad im Schatten, nebenan rauscht der Mühlbach vor sich hin und ein paar Vögel zwitschern uns aus den Bäumen zu.

Es hilft nichts, wir müssen weiter. Die Temperaturen steigen weiter an, genauso wie es die letzten Kilometer zweimal machen. Dabei wird unser Tempo langsamer. Am Horizont sieht man bereits den Glockenturm der Stiftskirche Saint-Léonard-de-Noblat, doch es dauert noch eine Viertelstunde, bis wir zum Ortseingang gelangen. Dort hängt auch noch ein erster Hinweis zum gestrigen Etappenstart der diesjährigen Tour de France, den wir leider um einen Tag verpasst haben. Die ganze Stadt ist noch mit gelben Wimpeln geschmückt und in beinahe jedem Schaufenster kann man Relikte zu DEM Radsportereignis in Frankreich betrachten. Immer wieder findet man Bilder und Sprüche von Raymond Polidour, einem der besten französischen Radprofis, der hier in der Stadt gelebt hat und auch hier 2019 verstorben ist. 

Kurz vor 14 Uhr stehen wir vor der Touristinfo, die in wenigen Augenblicken öffnen wird. Wir werden von einer jungen Frau empfangen, mit der wir uns auf Englisch unterhalten. Sie stempelt unsere Pilgerpässe und übergibt uns den Code für die Pilgerherberge, die sich unmittelbar neben der Stiftskirche befindet. Die Herberge besteht aus drei Räumen mit 10 Betten und einem großen Aufenthaltsraum mit Küche und Waschmaschine. Diese nutzen wir auch direkt nach dem Duschen für unsere Wäsche. Während des Waschganges kaufen wir unser Abendessen ein: es gibt Lachs auf der Haut gebraten mit Pasta und Pesto, zum Dessert Bio-Schokopudding. 

Jörg legt sich nun etwas hin und ich erkunde noch etwas die Umgebung. Die mittelalterlichen Gebäude sind schick, eines versteckt etwas oberhalb in einer Nische einen Jakobus. Das beste hebe ich mir bis zum Schluss auf, die Stiftskirche. Der romanische Bau aus dem 11./12. Jahrhundert zieht mich direkt in seinen Bann. Rund um den Chor sind mehrere Nischenkapellen angeordnet und im südlichen Querschiff befindet sich das Grab des Heiligen Leonhard. Schon das Liber Sancti Jacobi empfahl den Pilgern im Mittelalter am Grab des Schutzheiligen der Gefangenen und der schwangeren Frauen zu beten. Ich zünde dort eine Kerze für meine Lieben an. Danach lausche ich der wunderschönen Musik eines jungen Organisten, dessen meditatives Spiel auf eine vortreffliche Akustik trifft. Ich genieße die halbe Stunde und kann mich in dieser Atmosphäre tief fallen lassen - ein schönes Erlebnis.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen