21.07.2023 Sainte-Ferme - La Réole
Der letzte Tag bricht an, und das in Form eines nervenden Hahnes, der bereits um 5:30 Uhr der Ansicht war, das es Zeit zum Weckruf sei. Hat er sich gedacht, aber die Rechnung ohne uns gemacht. Schon gestern Abend war er neben der Spur, als er zur Sandmännchenzeit zu krähen begann. Da es in unserem Schlafraum sehr warm war, wurde kurzerhand der Standventilator aus dem Aufenthaltsraum zu uns gestellt. Damit ließ es sich gut schlafen. Die Bettflucht beginnt dann wie vereinbart um 6 Uhr und eine halbe Stunde später sitzen Frédéric, Jörg und ich mit Claire und Michel am Frühstückstisch. Im Laufe des Morgens erfahre ich dann von den anderen beiden, dass sie mich gerne da behalten würde - weil ich gestern Abend abgetrocknet hatte.
Kurz nach 7 Uhr verabschieden wir uns von den zwei Hospitaleros und ziehen los. Für Jörg und mich ist es die Zielgerade in diesem Jahr, für Frédéric eine weitere Etappe auf seinem Weg nach Santiago de Compostela. Es ist wiederum eher frisch - ideal zum Laufen. So haben wir während unseren Gesprächen erneut einen guten Schritt drauf. Die Strecke ist aber auch für ein flottes Tempo gut geschaffen, es geht zumeist über flache Straßen oder gut befestigte Wald- und Wiesenwege. Wir merken gar nicht wie die Zeit vergeht und legen nach fast der Hälfte der heutigen Etappe an einem idealen Platz eine Pause ein. Frédéric sagt immer, die Deutschen suchen so lange, bis sie ein schönes und komfortables Plätzchen gefunden haben. Da kann ich ihm tatsächlich zustimmen.
Auch der zweite Abschnitt führt uns wieder durch eine herrlich anzuschauen Landschaft, die nur selten von Dörfern bestückt ist. Manchmal halten sogar Leute mit Hund oder Auto an und haben das Bedürfnis, uns anzusprechen. Zum Glück haben wir Frédéric dabei, das macht das ganze einfacher. Nach einem letzten fiesen Anstieg können wir von der Anhöhe auf unser heutiges Ziel La Réole hinabschauen. Es dauert zwar noch eine Weile, bis wir die Vororte der Stadt durchlaufen haben, treffen aber ziemlich genau zum zwölften Glockenschlag an der Église Saint Pierre ein. Die Kirche ist sehr geräumig und hat eine schöne Atmosphäre. Als wir sie betreten, erklingt die Orgel und spielt für uns eine Art Fanfare. Zufall? Nein, nicht auf dem Camino! Es findet wohl gerade eine Probe statt, doch es nerven ein wenig ein paar Kinder, die lauthals durch die Kirche rennen oder auf die Kanzel klettern. Das ist für mich kein Umfeld für ein Ankommen. Für Frédéric anscheinend auch nicht, denn wir verlassen beide die Kirche. Jörg hingegen bleibt noch etwas sitzen und bekommt noch weitere Kostproben zu hören, so unter anderem das "
Halleluja" von Leonard Cohen mit Orgel und Gesang.
Wir suchen uns eine Möglichkeit, etwas zu trinken, denn es wird Zeit, sich von Frédéric zu verabschieden. Wir hatten ihn schon ein paar gesehen, aber erst die letzten drei Tage zusammen auf der Strecke verbracht. Es war uns eine Freude, ihn kennengelernt zu haben und ihm zumindest ein kleines Stück seiner Pilgerreise begleiten zu können. Gegen 13 Uhr ist dann der Moment des Abschieds gekommen, denn Frédéric hat noch circa 10 Kilometer vor sich, bis er sein heutiges Ziel in Bassanes erreichen wird. Wir wünschen ihm buen Camino und ein gesundes Ankommen in Santiago.
Für Jörg und mich beginnt nun eine dreistündige Warterei, bis wir in unsere Unterkunft Amañi Hostel einziehen können. Das ist erst um 16 Uhr der Fall. Bis dahin sitzen wir nahe der Garonne und vertreiben uns die Zeit unter anderem mit der Buchung einer Zugverbindung ab Mannheim nach Hause. Den letzten Rest der Wartezeit nutzt Jörg noch mit einem Besuch beim Barbier. Inzwischen gesellt sich eine fünfköpfige niederländische Familie in die Warteschlange, die etwas ungeduldig wirkt. Pünktlich wird das Hostel geöffnet. Beim Betreten wird der Blick frei auf das wunderschöne Treppenhaus des mittelalterlichen Gebäudes, das geschmackvoll in eine Unterkunft mit Schlafsälen und Doppelzimmern umgebaut wurde. Der Eigentümer, ein junger Mann, zeigt uns die Räumlichkeiten, wir bekommen einen Schlafsaal mit sieben Betten - hoffentlich für uns alleine. Mit dem Frühstück wird es morgen knapp, doch wir dürfen schon eine halbe Stunde früher anrücken. Jetzt ruhen wir uns etwas aus, gehen etwas essen und sind froher Erwartung die Rückreise zu unseren Lieben. Und dann gibt es noch eine Zugabe in der Nachbarschaft: dort gibt es ein Konzert mit einer Ein-Mann-Band. Die letzte halbe Stunde davon bekomme ich noch mit und der Typ ist der absolute Hammer, spielt Drums, Keyboards oder Gitarre zugleich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen