Dienstag, 31. August 2021

Kulturprogramm Teil 1

Gut und tief geschlafen nach der gestrigen längsten Etappe unseres Camino Portugues. Wir sind erst gegen halb acht Uhr aufgewacht und beginnen in Ruhe den Tag. Heute wollen wir in die Pilgermesse um 9:30 Uhr. Da die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, rechtzeitig in der Kathedrale zu sein, gehen wir auch schon bald dorthin. In Erwartung einer langen Schlange vor dem Eingang am Nordportal gibt es allerdings eine Überraschung: keine Schlange, kaum Leute und direkter Zugang in die Kirche. Wir sind so früh da, dass wir in der fünften Reihe einen guten Platz finden. Die Besucher sitzen außerdem mit höchsten zwei bis drei Personen in den neuen Bänken.

Das Innere der Kathedrale glänzt nach der Renovierung. Na gut, das tat sie aufgrund der vielen Gold- und Silbertöne vorher auch schon, aber man bemerkt schon einen gewissen Unterschied. Einen Unterschied zu den mir bekannten Pilgermessen erkenne ich aber auch schon recht bald. Es konzelebrieren lediglich zwei Geistliche, keine singende Nonne und damit auch kein Gemeindegesang und kein Botafumero. Und nach 35 Minuten ist die Messe auch schon wieder vorbei.

Da wir bisher noch kein Frühstück hatten, suchen wir uns jetzt eine Gelegenheit. Das dauert, schließlich finden wir ein Café. Es gibt Café con Leche und zwei Scheiben Toast sowie Orangensaft. Das sollte für's erste reichen und den Hunger stillen. Anschließend bummeln wir noch etwas durch die mit Arkaden gesäumten Straßen und gehen in das Kathedralmuseum. Leider besteht keine Möglichkeit, die Portico de Gloria zu besichtigen, da hätten wir schon vor einigen Tagen ein Ticket online kaufen müssen. Dafür können wir aber noch in den Bischofspalast rein.

Nach dem Museumsbesuch setzen wir uns noch etwas an den Rand des Plaza de Obradoiro und beobachten ein ankommende Pilger. Darunter befinden sich auch Eva und Bernd aus dem Sauerland, die wir jetzt zum dritten Mal treffen. Die beiden werden noch den Camino de Fisterra dranhängen. Eigentlich wollte ich nach einem schönen Souvenir Ausschau halten, aber es auf den ersten Blick all die Sachen, die es 2018 auch schon gab, keine neuen Artikel für Wiederholungstäter. Meine Muschel habe ich ja schon vor ein paar Tagen in O Porriño und eine weitere in Cesantes bekommen. Bleibt vorerst nur eine kleine  Magnetkeramik, von der ich schon die anderen Jahre habe, als ich in Santiago war. Wir gönnen uns noch auf dem Weg zum Hotel ein Eis und legen eine kleine Pause ein. Auch das Schlendern durch die Stadt strengt an.

Für 16 Uhr hat die deutsche Pilgerseelsorge zum Pilgertreffen mit einem Impuls zur Heiligen Pforte eingeladen. Daran nehmen wir Teil, Treffpunkt ist in Sichtweite der Heiligen Pforte. Außer Susanne und mir gesellen sich Vater und Tochter aus der Nähe von Ingolstadt dazu, die in diesem Jahr auf dem Camino Frances ab Léon unterwegs waren. Außerdem kommt noch Josef mit seiner Frau dazu. Ihn kenne ich bereits, da er in den vergangenen Jahren auch schon zum Team der Pilgerseelsorge gehörte. Die beiden sind heute mit dem Fahrrad angekommen, gestartet sind sie im Elsass. Nach einer kurzen Vorstellung erzählt jeder von seinen Erfahrungen, was war gut, was weniger, wie war das Ankommen. Es ist eine schöne Gesprächsrunde unmittelbar neben der Heiligen Pforte. Den Abschluss bildet ein kurzer Impuls zum Nachdenken über eine Tür oder Pforte. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an die Pilgerseelsorge, es ist gut, dass es dieses Angebot gibt.

Bevor wir wieder in Richtung Hotel gehen, wollen wir noch einmal zum Plaza de Obradoiro vor der Kathedrale. Es macht so viel Spaß, den ankommenden Pilgern zuzusehen. Zum Abschluss machen wir noch ein schönes Foto, kommen dabei mit ein paar älteren Pilgern aus der Würzburger Ecke ins Gespräch. Die haben vor 13 Jahren begonnen, in Abschnitten  nach Santiago zu pilgern, kannten sie teilweise gar nicht und sind inzwischen zu einer tollen Gruppe geworden. Eine Pilgerin hat sogar ein paar Jahre in unserem Koblenzer Stadtteil gewohnt.

Um kurz nach 18 Uhr sitzen wir direkt neben dem Hotel in einem Restaurant. Es ist klein, aber hübsch und bietet ein Menü für kleines Geld an. Da gerade pünktlich, wie angekündigt, ein Gewitter mit Regen über Santiago hinwegzieht, setzen wir uns lieber rein an ein offenes Fenster. Schon bald kommt das Essen, Caldo Gallego, Cous Cous und Chicken Curry. Schmeckt alles so was von lecker. Da überlegen wir nicht lange, morgen werden wir dort noch einmal zu Abend essen. Als "Gegenleistung" für das Trinkgeld gab es von der Wirtin ein getrocknetes vierblättriges Kleeblatt. 

Da unsere Getränkevorräte allmählich weniger werden, gehe ich noch einmal zu einem Supermarkt. Auf dem Rückweg zum Hotel werde ich zweimal von einem kurzen Schauer überrascht. Zum Glück befinde ich mich beide Male in der Nähe von geöffneten Kirchen: der Igrexa de Santa Maria Salomé (der einzigen Kirche in Spanien, die der Mutter von Jakobus geweiht ist) und der Igrexa de San Bieito do Campo. Dann habe auch ich genug für heute. Mal gespannt, was der morgige Tag für uns vorgesehen hat.

Montag, 30. August 2021

Santiago de Compostela 1-5

6. Etappe von Padrón nach Santiago de Compostela (26,5 km)

4:30 Uhr: wir wachen beide auf, sind uns aber sofort einig, dass dies noch keine Uhrzeit ist, um die letzte Etappe vorzubereiten. Also noch einmal umdrehen und die Augen zu machen. 

6:00 Uhr: Der Wecker macht sich bemerkbar und wir stehen ohne zu murren auf. Kurz ins Bad, anziehen, Sachen in den Rucksack verstauen, Sonnenmilch und Hirschtalg auftragen, Zähne putzen, alle restlichen Utensilien verpacken, Socken und Schuhe an, Rucksack auf den Rücken und noch einmal kontrollieren, ob auch nichts vergessen wurde. Susanne Rucksack und auch den Zimmerschlüssel hinterlegen wir an noch nicht besetzten Rezeption. Wie schon gestern geschrieben, wird Susanne heute nur mit leichtem Tagesrucksack mit dem Allernötigsten unterwegs sein. Der Rucksack wird gegen 8 Uhr abgeholt und in unser Hotel nach Santiago de Compostela gebracht. 

6:59 Uhr: Es geht los, die finale Etappe unserer Pilgerwanderung beginnt. Es ist noch stockdunkel und kühl, die Straßenbeleuchtung reicht aber völlig aus, um den richtigen Weg zu finden. Wir sind natürlich nicht die einzigen, die schon auf den Beinen sind. Als wir bei Pepe vorbeigehen, erschallt von ihm bei jedem Pilger ein herzliches "Buen Camino". Zunächst geht es durch ein Wohngebiet und an der Igreja Colegiada de Santa Maria de Iria Flava, dem mittelalterlichen Bischofssitz. Danach müssen wir mit einer stark befahrenen Nationalstraße vorlieb nehmen, bevor es in ein verwinkeltes Dorf und die Natur geht. 

8:30 Uhr: Wir erreichen die Igreja Santuario de la Escravitude, die ich jetzt zum erstenmal geöffnet vorfinde. Von außen sieht die Kirche verfallen aus, innen ist sie allerdings ein Prunkstück. Und einen ersten Stempel für heute gibt es noch als Zugabe dazu. Es wechseln sich nun kleine Dörfer, Weinlauben und kleine Straßen ab. Wir kommen trotz der Blessuren von Susanne richtig gut voran. 

9:21 Uhr: In Picaraña machen wir nach knapp 10 Kilometern eine ausgiebige Pause und nehmen unser Frühstück ein, das heute aus einem Brötchen mit Tortilla belegt und einem Schinken-Boccadillo besteht. Nach einer guten halben Stunde sind wir wieder auf dem Camino. Auch unser DJ ist inzwischen aufgetaucht, verhält sich hier aber relativ ruhig. In der Folge wurde die Wegführung verändert. Statt an der Nationalstraße entlang zu laufen geht es nun durch den Wald, an einem Tierheim vorbei und über das grobe Pflaster der alten Römerstraße. Inzwischen sind auch wieder mehr Pilger auf der Strecke, von denen einige merklich unrund gehen. Die meisten sind Spanier, aber wir überholen auch eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter, die anscheinend aus Dänemark stammen. 

11:28 Uhr: Die Wegstrecke scheint erneut etwas verändert, ich vermisse das bekannte Sägewerk und dahinter einen Erfrischungsstand am Ende des Waldes. Dafür blinzeln mich am Horizont bereits die Spitzen der Kathedraltürme an. Trotzdem sind es noch rund 7 Kilometer bis dahin. Wir laufen durch die Vororte von Santiago, überqueren die Bahnstrecke und passieren einen Ambulanzwagen. Hoffentlich wartet der nicht auf einen Pilger. Hier in der Nähe war bisher immer noch eine kleine Bar, in der man sich kurz vor dem Ziel noch einmal eine Pause gönnen konnte - leider geschlossenen, ob für immer lässt sich nicht feststellen.

12:05 Uhr: Wir kommen an zwei Monolithen, die in unterschiedliche Richtungen den Weg ins Zentrum anzeigen. Wir entscheiden uns für den Weg über Conxo, den ich noch nicht kenne. Ausserdem gibt es an der Wegeteilung einen Hinweis auf eine Bar. Der andere Weg führt bald entlang einer stark befahrenen Hauptstraße, die mir noch nie gefallen hat. Unsere Variante ist da etwas ruhiger und bringt uns noch an der Igreja da Nosa Senora da Mercé de Conxo vorbei, die die aus zwei Hauptschiffen im 90-Grad-Winkel besteht und sehr sehenswert ist. Schon bald befinden wir uns in einer belebten Einkaufsstraße und lassen den neuen Teil von Santiago hinter uns.

13:00 Uhr: Nach der Überquerung der Straße befinden wir uns in der Altstadt. Die Gassen sind eng, aber beileibe nicht so überfüllt, wie ich es hier bereits erlebt habe. Wir Bahnen uns den Weg durch Pilger, Touristen und Studenten. Alles kommt mir so vertraut vor. Als wenn ich erst gestern hier war.

13:06 Uhr: Hand in Hand betreten Susanne und ich den Praza de Obradoiro vor der Kathedrale, die in einem lange nicht mehr dagewesenen Glanz erstrahlt. Ich bin gerührt, wieder hier zu sein und die Augen werden ein wenig feucht. Susanne erreicht  diesen Platz erstmals, ich darf schon zum fünften Mal hier sein. Es ist ein Geschenk, in einem Heiligen Jahr Santiago de Compostela zu erreichen. Vor ein paar Monaten hätte ich mir das nicht vorstellen können. Ein großes Kompliment an Susanne, die diese letzte Etappe so toll durchgezogen hat, obwohl auch bei ihr nicht alles rund lief. Nach dem obligatorischen Foto mit der Kathedrale und einer großen Anzahl weiterer angekommener Pilger im Hintergrund suchen wir uns einen Platz am Rande und lassen uns dort nieder.

13:15 Uhr: Ich gehe auf gut Glück zum Pilgerbüro, um zu prüfen, ob wir heute noch unsere Compostela(= Pilgerurkunde) erhalten können. Seit einiger Zeit muss man seine Daten online eingeben und sich dann vor Ort eine Nummer mit einem QR-Code geben lassen. Damit kann man im Netz feststellen, wieviele Pilger vor einem dran sind. Ich erhalte die Nummern 1024 und 1025, gerade wir die Nummer 425 bearbeitet. Das Pilgerbüro hat bis 18 Uhr geöffnet, das könnte sogar noch klappen.

13:43 Uhr: Wir machen uns auf den Weg zu unserem Hotel, das nur 400 Meter von der Kathedrale entfernt liegt. Wir finden das Haus schnell, checken ein und freuen uns über unsere Bleibe für die kommenden drei Nächte. Nach dem Duschen besorge ich schon mal Getränke und neues Blasenpflaster. Nach meiner Rückkehr hat Susanne einen Wachsalon im Visier, damit alle genutzten Kleidungsstücke noch einmal richtig gewaschen werden können.

16:50 Uhr: Mir wird angezeigt, dass nur noch 65 Pilger vor uns in der Warteschleife für die Ausstellung der Compostela sind. Anziehen und ab zum Pilgerbüro. Dort lassen wir uns noch eine Weile im Garten nieder und warten auf den Aufruf unseres 20er-Nummernblocks. Nur eine Dreiviertelstunde später halten wir unsere Pilgerurkunde in den Händen. Gerne hätten wir noch an dem spirituellen Rundgang um die Kathedrale teilgenommen, die von der deutschen Pilgerseelsorge angeboten wird. Leider war nur eine französische Gruppe am Treffpunkt. Also wieder zurück zur Unterkunft, dabei noch die Capilla de San Roque angeschaut. Ach übrigens, zu Abend haben wir heute ganz untypisch in einem italienischen Restaurant gegessen. War super lecker.