Ein tiefer Schlaf hat gut getan, ich fühle mich von den gestrigen Strapazen doch recht gut erholt. Erst kurz vor dem geplanten Frühstück sind wir aufgestanden, begleitet von einem leichten Grollen aus der Höhe. Es wird gleich ein Gewitter über uns herziehen, das aber gegen 9 Uhr einen Abmarsch erlauben soll. Zunächst aber genießen wir mit Rudi ein gutes Frühstück. Währenddessen wird der Wind stärker, die Blätter an den Böumen Tanzen aufgeregt umher und es kühlt merklich ab. Dann beginnt es zu regnen und es ist ein einzelner Blitz zu sehen. Schon nach wenigen Minuten ist die Vorstellung bereit vorüber. Es wird nun Zeit, dass wir unsere Rucksäcke verpacken und uns für den Abmarsch bereit machen. Um 9:40 Uhr verabschieden wir uns von Rudi und einer inzwischen dazugekommenen Freundin von ihm. Übrigens hat er unsere Pilgerpässe mit einem selbst gemalten Stempel versehen.
Schon nach kurzer Zeit erreichen wir Arrènes und treffen wieder auf den markierten Jakobsweg. Es herrscht eine beruhigende Stille, lediglich das Zwitschern der Vögel und etwas Donnergrollen in der Ferne sind zu hören. Dann wird es anstrengend, wir müssen einige Höhenmeter bis Saint-Goussaud überwinden. Der Schweiß dringt aus den Poren und wir sind bewusst deutlich langsamer unterwegs. Oben angekommen werden wir bereits von einem Rastplatz begrüßt, den wir gerne nutzen. Hier bleiben wir eine Weile, da wir uns heute Zeit lassen können. Ein paar Schritte weiter im Dorf befindet sich die Église Saint-Goussaud, die wohl auch schon über ein paar Jahrhunderte Pilger begrüßt hat. Allerdings ist denen per Hinweis nicht erlaubt, in der Kirche zu übernachten. Als wir weitergehen wollen, kommt Anne-Isabel um die Ecke, die aber auf einem anderen Weg unterwegs ist. Sie fragt uns, ob man hier Wasser bekommen kann. Die Frage können wir leider nicht beantworten, also biete ich ihr eine von meinen Wasserflaschen an. Dadurch kann ich das Gewicht meines Rucksackes rasch um ein Kilo reduzieren. Wir verlassen Saint-Goussaud über meist schattige, aber auch holprige Hohlwege, die uns schließlich nach Châtelus-le-Marcheix, wo wir nach gut 12 Kilometern eine weitere Pause einlegen.
Der folgende Abschnitt ist wieder etwas anspruchsvoller - überwiegend auf einer Nebenstraße, manchmal über Schotter durch den Wald, aber überwiegend aufwärts. Das ganze findet dann abwechselnd in der prallen Sonne und im Schatten statt. Und wenn der Wind nachlässt, ist sehr drückend. Zwei Kilometer vor Les Billanges machen wir vor einem letzten Anstieg an der Moulin de Chauchigne noch einmal eine Rast. Gegen 16:30 Uhr sind wir an der Herberge und werden von einem Nachbarn zum richtigen Haus verwiesen. Die erneut hohen Temperaturen setzen uns zu - zum Glück haben wir unsere Pausen wie geplant eingehalten. Kurz darauf erscheint seine Frau und schließt uns das Haus auf. Vor uns öffnet sich ein bunter Raum, aus dem der Geruch einer Feuerstelle entgegenkommt. Tatsächlich befindet sich nebenan ein Aufenthaltsraum mit Küche, der eine offene Feuerstelle hat. Die Betten verteilen sich auf ein Zimmer im Erdgeschoss sowie weitere im Obergeschoss. Wir entscheiden uns für das untere Zimmer. Die Nachbarin zeigt uns alles und gibt uns zu verstehen, dass Francine später kommen wird. Zunächst wird gewaschen und geduscht. Während Jörg seine Wäsche aufhängt, kommt Françoise und begrüßt uns. Sie wird nachher für uns kochen.
Der Abend sollte dann noch einige Überraschungen für uns bereit halten. Zum Essen gesellte sich die deutschstämmige Mutter von Françoise zu uns. Mit ihren 95 Jahren hat sie schon ein stolzes Alter erreicht. Der Clou aber ist, dass sie aus dem Koblenzer Stadtteil Lützel geboren wurde. Und dann kam der große Auftritt von Jörg: er pflückte draußen eine duftende Blume und überreichte diese der alten Dame. Ihr ewiger Dank wird mit ihm sein. Als weiteres Highlight spielte uns Françoise ein selbstgeschriebenes Camino-Lied auf der Gitarre vor - mein Übersetzungsprogramm zauberte daraus eine wunderschöne deutsche Version. Jörg und ich sind begeistert, der Aufenthalt hier ist wieder so ein typisches Camino-Erlebnis. Dank dem Universum dafür.
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