Vigo - Cesantes (20,1 km)
Wir haben uns gestern Abend noch mit Lija und Monika in einer Tapas-Bar getroffen. Sie sind in einem anderen Hostel untergekommen, aber auch nur zehn Minuten Fussweg entfernt. Gestern Abend haben Ben und ich bereits unsere Betten im Refuxio de la Jerezana in Cesantes per Internet gebucht, da wir nicht wussten, ob wir noch freie Betten bekommen hätten, wenn wir "einfach nur vorbeigekommen wären". Ben fährt allerdings mit der Bahn nach Redondela und wird nur die letzten drei Kilometer zu Fuß bis zum Refugio zurücklegen.
In unserem Hostel gibt es keine Fenster, aber eine gut funktionierende Klimaanlage. Diese wird allerdings nur für eine kurze Zeit in den Abendstunden angemacht, damit es in den Zimmern wenigstens zur Schlafenszeit angenehm temperiert ist. Nach einer trotz der Temperaturunterschiede guten Nacht schleichee ich mich um kurz vor 7:00 Uhr aus dem Vierbettzimmer und mache mich in der Küche für den Tag fertig. Gegen 7:30 Uhr bin ich wieder auf Schusters Rappen unterwegs.
Draußen ist es angenehm kühl, trotzdem bin ich froh, die Straßenschluchten von Vigo bald verlassen zu können. In Sachen Camino hat Vigo meiner Ansicht nach noch einigen Nachholbedarf. Bis auf die gelben Pfeile gibt es hier kaum oder gar keine Angebote für Pilger. Ich glaube, ohne Privatinitiative wird sich da auch in naher Zukunft nichts großartig verändern. Bestes Beispiel dafür sind die "Pilgerstempel", die eigentlich ohne Bezug zum Camino "gestaltet" sind. Ich lasse mich von einem vielversprechenden Hinweis einer Bar verleiten, bekomme dann aber "nur" einen Firmenstempel, zwar mit Logo, aber keine Spur von einer Jakobsmuschel.
Schon seit einiger Zeit wandele ich auf einer höheren Ebene und habe einen wunderschönen Blick auf die Ria de Vigo, die momentan noch von einer dicken Nebelschicht bedeckt ist. Interessantes Naturschauspiel, denn bei zunehmender Sonneneinwirkung verschwindet allmählich der Nebel und der Blick auf die Wasseroberfläche wird freigegeben. Zur Zeit laufe ich auf kleinen Straßen, die mit einer gelben Schlangenlinie und einem grünen Untergrund versehen ist, der sogenannten Senda do Auga. Es handelt sich dabei anscheinend um einen Wanderweg mit dem Thema Wasser. Zwischendurch sind immer wieder Hinweistafeln zu bestimmten Wissensgebieten aufgestellt. Es ist hier außerdem nicht ganz ungefährlich, den auf beiden Straßenseiten gibt es eigentlich keine Ausweichmöglichkeiten, wenn einem hier einmal zwei Autos begegnen sollten.
Die heutige Etappe lässt sich relativ bequem laufen, da sie hinter Vigo keine nennenswerten Höhenunterschiede mehr aufweist. Ich umlaufe im Prinzip die Ria de Vigo und befinde mich überwiegend auf asphaltierten oder geschotterten Waldwegen. Somit bin ich auch meistens nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Auf der Ria de Vigo sieht man unzählige plattformartige Gebilde. Ich vermute mal, dass es sich hierbei um Zuchtanlagen für Austern handelt. Dann passiere ich die Ponte de Vigo, auf der momentan in schwindelnder Bauarbeiten durchgeführt werde. Mir geht gerade das Instrumental von Mark Knopfler, "Wild Theme", nicht mehr aus dem Kopf heraus. Zunächst pfeife ich es fröhlich vor mir her, doch dann passiert etwas Unglaubliches mit mir. Ich erreiche ein lichtes Waldstück mit Blick auf die Ria, stehe dort auf einem Felsen kann und auf der gegenüberliegenden Seite schon mein Tagesziel Cesantes erkennen. Ich habe das Bedürfnis, mein Handy herauszuholen und das Stück anzuhören. Warum, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist jetzt der Moment gekommen, wo dem Pilger zum zweiten Mal die Tränen kommen. Ich genieße diesen stillen Moment und schaue einfach nur in die Ferne, in die ich mich in den nächsten Tagen noch begeben werde. Vielleicht passt "Wild Themen" auch ganz gut zu der Umgebung hier. Ich bin hier mitten in einer schönen Landschaft, wo Wasser plätschert, Blätter rauschen, Vögel zwitschern und Hunde bellen. Ich bin in diesem Moment sehr dankbar, dass ich das erleben darf. Vor allem bin ich meiner Familie dankbar, dass sie mich wieder hat ziehen lassen. Hier ist für mich nun der Punkt, wo ich einen meiner beiden mitgebrachten Steine weit wegwerfen. Er fliegt steil nach oben und folgt dann unumgänglich den Kräften der Erde abwärts. Dann ist er im Abhang vor mir meinem Blick entschwunden.
Meine schwermütigen Schritte werden nach diesem emotionalen Feuerwerk nun wieder etwas beschwingter, denn ich freue mich jetzt auf meine Ankunft in Maries Herberge in Cesantes Ich bin gespannt, was sich gegenüber meinem letzten Besuch vor ziemlich genau zwei Jahren alles verändert hat.
Um 11:30 Uhr treffe ich ihn Redondela, wo sich der Camino da Costa mit dem Camino Central vereineinigt. Ich mache hier noch eine letzte Pause in einen Restaurant in der unmittelbaren Nähe der öffentlichen Herberge, und versuche mir noch eine Kleinigkeit zu essen zu besorgen. Leider ist das erst in einer Stunde möglich, als bleibt es bei einem Bier. Gegen 12:00 Uhr breche ich wieder auf und zähle rund zwanzig Pilger, die auf Einlass in die Herberge warten.
Auf meinem Weg aus Redondela heraus blinzelt mir aus einer Seitengasse ein Kirchturm zu. Neugierig gehe ich zur Kirche und sie steht glücklicherweise offen, es ist zudem zufälligerweise die Igrexa de Santiago de Redondela. Drinnen ertönt meditative Musik, du mich berührt. Ich setze mich eine Weile hin und genieße sanfte Atmosphäre. Ich lass mich ein klein wenig fallen und spreche ein kleines Dankgebet. Als ich die Kirche verlassen möchte, spricht mich eine Nonne, an ob ich einen Pilgerstempel haben wolle. Ich folge ihr in die Sakristei und erhalte endlich wieder einmal einen schönen Stempel. Wir kommen ein klein wenig ins Gespräch, sie auf Spanisch, ich mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Spanisch. Und wir verstehen uns, es ist unglaublich. Ich bedanke mich ganz herzlich für diese Begegnung und verlasse mit einem Lächeln die Kirche.
Die letzten drei Kilometer des Tages bis zur Herberge lege ich gemütlich zurück. Über mir zieht sich allmählich der Himmel ein klein wenig zusammen, es ist kaum noch Blaues zu sehen. Um 13:00 bin ich schließlich da und belege schon einmal ein Bett. Ich lerne Jessy und ihren Vater Arndt aus Köln kennen und wir tauschen uns etwas aus. Dann trifft auch Ben ein, der in Redondela doch tatsächlich noch einmal Lija und Monika getroffen hat. Schließlich erscheint auch Marie und ist der festen Überzeugung, mich zu kennen. Ich erzähle ihr, dass ich so ziemlich genau vor zwei Jahren, am 23. Juni 2015, schon einmal hier gewesen bin, damals mit Jörg. Inzwischen hat sich hier einiges geändert, die Grünanlagen sind deutlich mehr geworden, Hinweisschilder prangen an der Hauswand und die Bibliothek wurde zum zweiten Speisesaal umfunktioniert. Darüber hinaus gibt es jetzt auch noch ein paar Zusatzbetten und ein paar Matratzen für Notfälle. Das allerschönste verrät uns Marie zum Schluss: sie ist inzwischen stolze Mama eines elf Monate alten Sohnes, den wir beim Abendessen auf der Terrassen noch bewundern dürfen. Danach spreche ich mit Erich aus der Pfalz über Wunder auf dem Camino. Bevor die Augen zu gemacht werden, heißt es Abschied nehmen von Ben. Wir beide haben uns im Prinzip eine ganze Woche täglich gesehen und auch gut verstanden. Es war mir eine Freude, ihn kennengelernt zu haben. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal in dieser Woche.
Für mich ist das Refuxio de la Jerezana eine Oase der Herzlichkeit, wo du dich in liebevoller Umgebung von den Strapazen der vergangenen Tage erholen kannst. Wer sich auf den Camino Portugues begibt, sollte unbedingt die drei Kilometer von Redondela zusätzlich auf sich nehmen und hier nächtigen.
In unserem Hostel gibt es keine Fenster, aber eine gut funktionierende Klimaanlage. Diese wird allerdings nur für eine kurze Zeit in den Abendstunden angemacht, damit es in den Zimmern wenigstens zur Schlafenszeit angenehm temperiert ist. Nach einer trotz der Temperaturunterschiede guten Nacht schleichee ich mich um kurz vor 7:00 Uhr aus dem Vierbettzimmer und mache mich in der Küche für den Tag fertig. Gegen 7:30 Uhr bin ich wieder auf Schusters Rappen unterwegs.
Draußen ist es angenehm kühl, trotzdem bin ich froh, die Straßenschluchten von Vigo bald verlassen zu können. In Sachen Camino hat Vigo meiner Ansicht nach noch einigen Nachholbedarf. Bis auf die gelben Pfeile gibt es hier kaum oder gar keine Angebote für Pilger. Ich glaube, ohne Privatinitiative wird sich da auch in naher Zukunft nichts großartig verändern. Bestes Beispiel dafür sind die "Pilgerstempel", die eigentlich ohne Bezug zum Camino "gestaltet" sind. Ich lasse mich von einem vielversprechenden Hinweis einer Bar verleiten, bekomme dann aber "nur" einen Firmenstempel, zwar mit Logo, aber keine Spur von einer Jakobsmuschel.
Schon seit einiger Zeit wandele ich auf einer höheren Ebene und habe einen wunderschönen Blick auf die Ria de Vigo, die momentan noch von einer dicken Nebelschicht bedeckt ist. Interessantes Naturschauspiel, denn bei zunehmender Sonneneinwirkung verschwindet allmählich der Nebel und der Blick auf die Wasseroberfläche wird freigegeben. Zur Zeit laufe ich auf kleinen Straßen, die mit einer gelben Schlangenlinie und einem grünen Untergrund versehen ist, der sogenannten Senda do Auga. Es handelt sich dabei anscheinend um einen Wanderweg mit dem Thema Wasser. Zwischendurch sind immer wieder Hinweistafeln zu bestimmten Wissensgebieten aufgestellt. Es ist hier außerdem nicht ganz ungefährlich, den auf beiden Straßenseiten gibt es eigentlich keine Ausweichmöglichkeiten, wenn einem hier einmal zwei Autos begegnen sollten.
Die heutige Etappe lässt sich relativ bequem laufen, da sie hinter Vigo keine nennenswerten Höhenunterschiede mehr aufweist. Ich umlaufe im Prinzip die Ria de Vigo und befinde mich überwiegend auf asphaltierten oder geschotterten Waldwegen. Somit bin ich auch meistens nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Auf der Ria de Vigo sieht man unzählige plattformartige Gebilde. Ich vermute mal, dass es sich hierbei um Zuchtanlagen für Austern handelt. Dann passiere ich die Ponte de Vigo, auf der momentan in schwindelnder Bauarbeiten durchgeführt werde. Mir geht gerade das Instrumental von Mark Knopfler, "Wild Theme", nicht mehr aus dem Kopf heraus. Zunächst pfeife ich es fröhlich vor mir her, doch dann passiert etwas Unglaubliches mit mir. Ich erreiche ein lichtes Waldstück mit Blick auf die Ria, stehe dort auf einem Felsen kann und auf der gegenüberliegenden Seite schon mein Tagesziel Cesantes erkennen. Ich habe das Bedürfnis, mein Handy herauszuholen und das Stück anzuhören. Warum, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist jetzt der Moment gekommen, wo dem Pilger zum zweiten Mal die Tränen kommen. Ich genieße diesen stillen Moment und schaue einfach nur in die Ferne, in die ich mich in den nächsten Tagen noch begeben werde. Vielleicht passt "Wild Themen" auch ganz gut zu der Umgebung hier. Ich bin hier mitten in einer schönen Landschaft, wo Wasser plätschert, Blätter rauschen, Vögel zwitschern und Hunde bellen. Ich bin in diesem Moment sehr dankbar, dass ich das erleben darf. Vor allem bin ich meiner Familie dankbar, dass sie mich wieder hat ziehen lassen. Hier ist für mich nun der Punkt, wo ich einen meiner beiden mitgebrachten Steine weit wegwerfen. Er fliegt steil nach oben und folgt dann unumgänglich den Kräften der Erde abwärts. Dann ist er im Abhang vor mir meinem Blick entschwunden.
Meine schwermütigen Schritte werden nach diesem emotionalen Feuerwerk nun wieder etwas beschwingter, denn ich freue mich jetzt auf meine Ankunft in Maries Herberge in Cesantes Ich bin gespannt, was sich gegenüber meinem letzten Besuch vor ziemlich genau zwei Jahren alles verändert hat.
Um 11:30 Uhr treffe ich ihn Redondela, wo sich der Camino da Costa mit dem Camino Central vereineinigt. Ich mache hier noch eine letzte Pause in einen Restaurant in der unmittelbaren Nähe der öffentlichen Herberge, und versuche mir noch eine Kleinigkeit zu essen zu besorgen. Leider ist das erst in einer Stunde möglich, als bleibt es bei einem Bier. Gegen 12:00 Uhr breche ich wieder auf und zähle rund zwanzig Pilger, die auf Einlass in die Herberge warten.
Auf meinem Weg aus Redondela heraus blinzelt mir aus einer Seitengasse ein Kirchturm zu. Neugierig gehe ich zur Kirche und sie steht glücklicherweise offen, es ist zudem zufälligerweise die Igrexa de Santiago de Redondela. Drinnen ertönt meditative Musik, du mich berührt. Ich setze mich eine Weile hin und genieße sanfte Atmosphäre. Ich lass mich ein klein wenig fallen und spreche ein kleines Dankgebet. Als ich die Kirche verlassen möchte, spricht mich eine Nonne, an ob ich einen Pilgerstempel haben wolle. Ich folge ihr in die Sakristei und erhalte endlich wieder einmal einen schönen Stempel. Wir kommen ein klein wenig ins Gespräch, sie auf Spanisch, ich mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Spanisch. Und wir verstehen uns, es ist unglaublich. Ich bedanke mich ganz herzlich für diese Begegnung und verlasse mit einem Lächeln die Kirche.
Die letzten drei Kilometer des Tages bis zur Herberge lege ich gemütlich zurück. Über mir zieht sich allmählich der Himmel ein klein wenig zusammen, es ist kaum noch Blaues zu sehen. Um 13:00 bin ich schließlich da und belege schon einmal ein Bett. Ich lerne Jessy und ihren Vater Arndt aus Köln kennen und wir tauschen uns etwas aus. Dann trifft auch Ben ein, der in Redondela doch tatsächlich noch einmal Lija und Monika getroffen hat. Schließlich erscheint auch Marie und ist der festen Überzeugung, mich zu kennen. Ich erzähle ihr, dass ich so ziemlich genau vor zwei Jahren, am 23. Juni 2015, schon einmal hier gewesen bin, damals mit Jörg. Inzwischen hat sich hier einiges geändert, die Grünanlagen sind deutlich mehr geworden, Hinweisschilder prangen an der Hauswand und die Bibliothek wurde zum zweiten Speisesaal umfunktioniert. Darüber hinaus gibt es jetzt auch noch ein paar Zusatzbetten und ein paar Matratzen für Notfälle. Das allerschönste verrät uns Marie zum Schluss: sie ist inzwischen stolze Mama eines elf Monate alten Sohnes, den wir beim Abendessen auf der Terrassen noch bewundern dürfen. Danach spreche ich mit Erich aus der Pfalz über Wunder auf dem Camino. Bevor die Augen zu gemacht werden, heißt es Abschied nehmen von Ben. Wir beide haben uns im Prinzip eine ganze Woche täglich gesehen und auch gut verstanden. Es war mir eine Freude, ihn kennengelernt zu haben. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal in dieser Woche.
Für mich ist das Refuxio de la Jerezana eine Oase der Herzlichkeit, wo du dich in liebevoller Umgebung von den Strapazen der vergangenen Tage erholen kannst. Wer sich auf den Camino Portugues begibt, sollte unbedingt die drei Kilometer von Redondela zusätzlich auf sich nehmen und hier nächtigen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen