24.06.2015: Von Portela nach Padron (30 km)
Unsere Vorbereitungen auf das Abendessen hatten sich gelohnt. Was Sergio daraus gezaubert hatte, war schon Klasse. Mit Unterstützung - ich vermute, es war sein Sohn - wurde der Grill angeworfen und mit den Resten von Maiskolben befeuert. Kurz darauf lagen da Sardinen und weitere Fische drauf. Inzwischen trafen noch weitere Pilger ein, darunter drei Münchenerinnen und einige Spanier, sowie ein uns schon seit Tamel bekanntes Paar, von denen er Spanier und sie Italienerin sind. Wir machten uns mit großem Hunger über Spaghetti, russischem Salat, Gemüsepaella und gemischtem Salat. Zuvor wurde aber noch ein Gebet für alle am Tag davor in der Herberge anwesenden Pilger gesprochen, diese auch namentlich aufgerufen. Es blieben zwar einige Reste, aber es hatte für alle gereicht. Anschließend wurde gemeinsam gespült. Da heute in Spanien Feiertag war, nämlich San Juan (Johannistag), wurden wir alle in die Küche beordert. Dort hatte Sergios Sohn in einer feuerfesten Form ein etwas Hochprozentiges mit Zitronenschalen, Zucker und Kaffeebohnen vorbereitet, das er schließlich entzündete. Dazu sprach er eine magische Formel, mit der alles Böse zur Sommersonnenwende vertrieben werden sollte. Der gleiche Text wurde von einigen Pilgern auf Deutsch, Englisch und Italienisch vorgelesen. Zu guter Letzt wurde der gute, inzwischen eingedampfte, Tropfen verteilt und getrunken. Nach einem Gruppenfoto verabschiedeten alle Sergio und seine Familie mit großem Dank und Applaus. Die Nacht verlief wiederum sehr ruhig und Jörg und ich schliefen bis kurz vor sechs. Gegen 7.30 Uhr verlassen wir die Herberge und machen uns auf den Weg. Eine gute Stunde später stellen wir fest, dass wir heute schnell unterwegs sind. Das Wetter ist genauso trüb und bewölkt wie gestern. An einer Hauptstraße sehen wir erstmals ein Schild mit einer Entfernungsangabe nach Santiago: 40 km. Wir laufen weiter durch Weinlauben parallel zur Landstraße und passieren in der Nähe von Briallos den 50-km-Stein. Kurz darauf treffen wir in Tivo ein und beschließen, in der dortigen Herberge ein kleines Frühstück einzunehmen. Wir bestellen uns ein Bacadillo mit Käse und Seranoschinken, das hervorragend schmeckt. Hier rasten übrigens auch zwei Spanier, die wir heute noch öfter überholen werden. Als wir beide aufbrechen, kommen gerade unsere Pilgerfreunde aus Kanada und den USA an, um hier ebenfalls zu pausieren. Nur zwei Kilometer weiter sind wir schon in Caldas de Reis, wo wir uns von einer Schwedin auf der Römerbrücke ablichten lassen. Eine Kirche, die von Palmen umringt ist, weckt unser Interesse, sodass wir einen Blick hinein werfen. Sie macht einen sehr hübschen Eindruck und es befindet sich eine Statue des Heiligen Rochus in "Pilgerkluft" darin. Von einer Dame werden wir gefragt, ob wir einen Stempel haben möchten. Wir geben ihr gerne unsere Pilgerausweise mit. Ich bin tief beeindruckt von dem Respekt, den sie uns sichtbar in Form einer Verbeugung entgegenbringt. Der weitere Camino führt uns über Feldwege und eine wunderschöne Naturlandschaft. Überall werden Wein, Mais und Kohl angebaut, als Begrenzungen werden Granitpfeiler genutzt. Unsere nächste Pause machen wir in einer Bar in O Cruceiro, wo wir etwas trinken und die Wasservorräte auffüllen. In einem Nebenraum sind die Wände mit den Unterschriften unzähliger Pilger aus der ganzen Welt versehen. Da sonst kaum noch Platz ist, werden wir von der Besitzerin aufgefordert, auch die Decke zu nutzen. Ich bin zu klein dafür, daher übernimmt Jörg diese Aufgabe und schreibt unsere Namen, hoffentlich für die Ewigkeit, an die Decke. Nur wenige Schritte weiter gehen wir an der kleinen Kirche Santa Maria de Carracedo vorbei. Diese wird gerade gereinigt und so haben wir die Möglichkeit, die sonst verschlossene Kirche anzusehen. Auch hier gibt es eine Rochusdarstellung. Im weiteren Verlauf pilgern wir durch ein grünes Tal an einem Bach entlang - ein wunderschöner Weg. Am Rande des Caminos sind jetzt häufiger Jakobusdarstellungen zu entdecken. Dabei lassen sich viele Anwohner richtig Gutes einfallen, um ihre Häuser und Grundstücke zu verschönern und die vorbei ziehenden Pilger zu erfreuen. Heute laufen Jörg und ich längere Passagen schweigend nebeneinander her - aber immer wieder unterbrochen durch intensiven Gedankenaustausch zu unterschiedlichsten Themen. Ich denke schon, dass sich allmählich die Anspannung aufbaut, in Santiago anzukommen. Gegen 15.15 Uhr erreichen wir die öffentliche Herberge - unterhalb eines Karmeliterinnen-Konvents liegend - in Padron. Wir sind die Nummern 38 und 39, es gibt ingesamt 46 Betten in einem großen Schlafsaal. Glücklicherweise finde wir noch zwei Betten nebeneinander im "Obergeschoß", der Rest ist fast komplett belegt. Wir vereinnahmen unsere Betten, duschen und waschen. Zum Glück hat Jörg meinen Rat befolgt und eine Wäscheleine dabei, sonst hätten wir jetzt ein Problem. Es sind jetzt nur noch 24 km bis zu unserem Ziel Santiago. Unterwegs war heute schon eine gewisse Vorfreude spürbar. Ich bin gespannt auf morgen und freue mich wahnsinnig.
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