2. Etappe von O Porriño nach Cesantes (19,0 km)
Eine ruhige Nacht geht anders - erneut liegt unser Zimmer nahe einer Bushaltestelle und über einer Bar. Das heißt also, daß es nicht gerade leise und an ein Durchschlafen nicht zu denken war. Aufgrund der hohen Temperaturen staute sich tagsüber die Hitze im Raum. Zum Glück sank das Quecksilber am Abend, weil vermehrt Wolken aufzogen und wir das Fenster weit auf liessen. Nachteil davon: die Geräuschkulisse. Kurz nach 5 Uhr sind wir jedenfalls wach und machen uns allmählich fertig für den Tag. Wir packen unsere Siebensachen zusammen und gehen für das Frühstück ins Restaurant. Auf dem Weg dahin kommen wir an einem Tischchen vorbei, auf dem eine ganze Armee von bemalten Jakobsmuscheln liegt. Gegen eine Spende darf man zugreifen. Normalerweise belohne ich mich erst in Santiago mit einer bunten Jakobsmuschel, doch eine gefällt mir besonders gut, dass ich sie mitnehme. Das Frühstück fällt mit einem Croissant und einem Café con leche nicht sehr üppig aus, aber es reicht vorerst. Es schlägt gerade 7 Uhr, als wir losgehen wollen. Ich bemerke, dass ich meinen Hut im Zimmer liegen gelassen habe und Susanne sucht ihr Handy, das aber sicher in ihrem Rucksack verstaut war. Nachdem ich von Meinem Abstecher ins Zimmer zurück bin, kann es endlich losgehen.
Die Orientierung fällt noch etwas schwer, da es noch sehr dunkel ist. Wir müssen gut aufpassen, dass wir keinen gelben Pfeil übersehen. Seltsamerweise geht immer dann eine Strassenlaterne aus, wenn wir kurz davor sind. Ob es wirklich an uns liegt? Nach 6 Kilometern legen wir in Mos in der Bar Flora eine erste Pause mit einem weiteren Café con leche und für mich mit einem Boccadillo mit Käse und Schinken ein. Als wir nach einer guten halben Stunde gehen wollen, kommt noch ein Italiener dazu, der uns freundlich grüßt. Kurz darauf sehen wir, wie vor uns zwei Pilger von einem kleinen weißen Hund "belästigt" werden. Daher suche ich nach einem Knüppel, um ihn abzuwehren, falls er uns auch zu nahe kommt. Und das passiert dann tatsächlich, doch der kleine Struppi will tatsächlich nur spielen und schnappt nach dem Knüppel. Er scheint daran Spaß zu haben. Schließlich werfe ich das Holzstück nach hinten und er holt es sich begeistert zurück und spielt damit. Hinter uns übernimmt der Italiener den Stock und macht mit dem Kleinen weiter.
Kurz darauf schließt Simone aus Pineto am Adriatischen Meer zu uns auf und ich unterhalte mich mit ihm eine ganze Weile. Dabei erzählt er mir, dass er bisher nicht nur dem kleinen weißen Hund begegnet ist, sondern auch schon jeweils einem weißen Hasen, einer Katze und einem Pferd. Wer weiß schon, was für weiße Tiere er auf seinem Camino noch trifft. Als wir ein steiles Stück abwärts gehen, erreichen wir die Albergue Corisco. Hier haben wir circa 12 Kilometer auf dem Tacho und wir wollten eine weitere Pause einlegen. Wir verabschieden uns von Simone und wünschen ihm einen weiterhin guten Weg. Es war uns eine Freude, ihn kennenzulernen. Kaum haben wir unseren Café und einen frisch gepressten Orangensaft erhalten, setzen sich Bernd und seine Frau aus dem Sauerland an den Nachbartisch. Es entwickelt sich auch mit diesen beiden eine nette Unterhaltung. So mag ich den Camino, wie sind jetzt mitten drin. Auch diese Pause hat nach etwas über 30 Minuten ein Ende und wir brechen zum letzten Drittel des Tages auf.
Es geht gut voran, da es heute auch mit 21 Grad und Bewölkung angenehm zum Laufen ist. Bis Redondela bleibt der Weg flach. In der Stadt versorgen wir uns in einem Markt noch mit zusätzlichen Getränken und Kleinigkeiten zum Essen, da wir wohl erst spät am Abend eine weitere Gelegenheit dazu haben werden. Gegen 13:15 Uhr erreichen wir in Cesantes unser heutiges Domizil, die Pension Jumboli. Nach Erledigung der Formalitäten wird uns in einem benachbarten Haus, abgelegen von der Hauptstraße, unser Zimmer gezeigt. Alles ist wiederum bestens und wir beginnen mit dem Duschen-Waschen-Ritual. Da inzwischen die Wolken verschwinden, kommt die Sonne allmählich durch und die Wäsche dürfte an der frischen Luft schnell trocknen. Danach mache ich mich auf den Weg zum Refuxio de la Jerezana, um Marie einen Besuch abzustatten. Bei ihr bin ich 2015 und 2017 bei meinen bisherigen Caminos Portugues untergekommen. Sie konnte sich noch ein wenig an mich erinnern. Ihr geht es gut und sie hat inzwischen auch ein Zweibettzimmer zum Vermieten. Wenn ich das gewusst hätte...
Auf unseren Spaziergang am Zielort verzichten wir auch heute nicht. Wir gehen in Richtung Strand von Cesantes, der an der Ría de Vigo liegt, einer tief in das Landesinnere eingeschnittene Meeresbucht mit einer Länge von 35 km und einer maximalen Breite von 7 km. Hier genießen wir die Spätnachmittagssonne, wenngleich der starke Wind einen anderen Eindruck der Temperatur erweckt. Zahlreiche Kyte-Surfer gehen ihrem Hobby nach und zeigen ein paar Kunststücke. Zum Abendessen geht es ins Restaurant - wie in Spanien üblich erst spät um 20 Uhr. Das Pilgermenü sollte es sein und wir entscheiden uns für Caldo Gallego (galicische Kohl- und Gemüsesuppe), gegrillte Sardinen und Käsekuchen mit Erdbeersoße). Das Essen ist sehr schmackhaft und ausreichend und nebenbei erleben wir einen farbenfrohen Sonnenuntergang mit Blick auf die Ría - ein schöner Abschluss des zweiten Pilgertages.
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