3. Etappe von Cesantes nach Pontevedra (17, 5 km)
Wenn man erst um halb acht Uhr aufwacht, wird man gut geschlafen haben. Das hat nach den vergangenen Nächten richtig gut getan, keinen Lärm um sich herum zu haben. Da wir heute die kürzeste Etappe vor haben, lassen wir uns entsprechend Zeit und gehen in Ruhe ins Restaurant zum Frühstück. Café con leche und Bocadillo heißt wie immer das Zauberwort, das den Pilger am Morgen zufrieden stellt. Ausserdem kaufe ich mir noch eine schöne blaue Muschel, die zusätzlich mit der deutschen Flagge versehen ist. Damit breche ich mit meinen Prinzipien, auf dem Weg nach Santiago eine Muschel am Rucksack zu tragen. Zunächst landet sie aber im Deckelfach meines Rucksackes.
Während dem Frühstück beobachtet Susanne, dass bereits einige Pilger am Jumboli vorbeiziehen, einige davon werden wir heute noch einmal sehen. Dann wird es Zeit aufzubrechen. 9 Uhr ist für Pilger eigentlich schon sehr spät. Da fällt mir spontan das französische Kinderlied "Frère Jacques" oder eingedeutscht "Bruder Jakob" ein, auch wenn der Text inhaltlich nicht auf einen schlafenden Pilger gemünzt ist - aber auch passen würde.
Zunächst geht es im leichten Nebel steil aufwärts in den Wald hinein, der wieder einmal mit zahlreichen Eukalyptusbäumen versehen ist. Endlich erwische ich auch einmal ein Blatt von einem tief herunter hängenden Zweig und zerreibe es zwischen den Fingern. Es riecht sofort nach Hustenbonbon. An der nächsten Ecke erwartet uns bereits eine Frau mit einem kleinen Angebot, vor allem aber mit einem Pilgerstempel für den Pilgerausweis. Wir benötigen ja für die Compostela (= Pilgerurkunde in Santiago) täglich mindestens zwei Stempel, um die gelaufene Strecke nachzuweisen. Also ziehen wir die Maske aus der Tasche und lassen uns den Stempel geben. Dafür lässt man auch eine kleine Spende zurück. Am Fonte da Xesteira treffen wir auf eine viel befahrene Nationalstraße und einen Parkplatz. Camino Portugues-Veteranen kennen den Ort mit dem Kilometerstein 81,330, denn auf der Leitplanke sind ein gelber und ein blauer Wanderstiefel angebracht, die die jeweilige Richtung nach Santiago und Fatima anzeigen. Inzwischen stehen dort eine Pilgerbank in Form eines gelben Pfeiles und Pilgerskulpturen aus rostigen Stahl. Und daneben bietet ein Mann den nächsten Stempel, ein paar Devotionalien und Obst an. Ok, einen Apfel und eine Banane nebst Stempel nehmen wir mit. Als wir schon wieder im Gehen waren, drückt er uns noch je einen kleinen Stein in die Hand und wünscht uns Buen Camino. Auf dem Stein ist ein gelber Pfeil abgebildet und die Orte Valença und Santiago geschrieben.
Wir erreichen als nächstes das Fischerdörfchen Arcade, in dem es die besten Austern der Welt geben soll. Auf jeden Fall gibt es hier noch eine intakte Brücke aus der Römerzeit, die eine Engstelle der Ria de Vigo nach Ponte Sampaio überspannt. Es wird nun wieder etwas hügeliger, auch über grobe, aber gerundete Felsstücke - die Überreste der alten Römerstraße. Kurz dahinter steht ei. Schild: letzte Erfrischungsstelle auf den kommenden zwei Kilometern. Dort angekommen, gibt es wieder einen Stempel und wieder lasse ich ein Donativo da. Dafür bietet mir der Mann sogar eine Flasche Wasser an. Da ich aber noch ausreichend habe, lehne ich dankend ab und sage ihm er solle sie einfach dem nächsten Pilger schenken. Keine hundert Meter weiter hinter einer Wegbiegung ein ähnliches Bild. Ein nett eingerichteter Rastplatz, Stempel- und Getränkeangebot. Sind die zwei Kilometer etwa schon rum? Dieses Mal grüßen wir nur freundlich und ziehen weiter. Das ist sicherlich gut gemeint, aber es ist dann doch einfach zu oft.
Nach fast 10 Kilometern ist die Wolkendecke verschwunden und wir finden oberhalb des Caminos einen netten Rastplatz, wo wir eine längere Pause einlegen. Hier befestigte ich meine neue Muschel am Rucksack. Zu dieser Zeit läuft eine Vierergruppe an uns vorbei, die wir heute schon mehrfach getroffen hatten. Ich vernehme deutsche Wörter und mache ich mich einmal bemerkbar. Bisher hatten wir nämlich lediglich spanische Floskeln ausgetauscht. Es stellt sich schnell heraus, dass wir hier ein Treffen von sechs Rheinland-Pfälzern haben: die Vier kommen aus Kaiserslautern, also gleich um die Ecke. Es laufen sehr viele Pilger an uns vorbei. Ich finde, dass der Camino Portugues in dieser Zeit sehr gut frequentiert ist. Eine gute halbe Stunde später geht es weiter. An einem weiteren Rastplatz spricht gerade ein Pfarrer zu seiner Gruppe. Das Profil ist jetzt einfach und schon bald hören wir aus der Ferne Musik. Schließlich kommen wir an einen schattigen Platz, wo sich ein Paar niedergelassen hat und musiziert. Spende, Stempel, das kennen wir jetzt, machen wir aber gerne.
Es folgt die Capela de Santa Maria in Bertola, wo ein Stempel hinterlegt ist. Den nehmen wir mit - er hat einen offizielleren Charakter als die bisher heute eingesammelten. Wir wollen nun zügig nach Pontevedra und bleiben an der Straße anstatt die Alternative an einem Bachlauf zu nutzen, die aufgrund vieler Mäander länger erscheint. In der Nähe des Bahnhofes vereinigen sich die beiden Routen wieder und treffen wir auch die Pfälzer für einen kurzen Augenblick. Jetzt müssen wir noch einmal quer durch die Stadt zu unserer Unterkunft Acola Rooms, die wir kurz vor 15 Uhr gut finden. Der Zutritt erfolgt nur mit Code und der fehlt uns. Zum Glück verlässt in diesem Moment anscheinend eine Reinemachefrau das Haus, sodass ich nicht anrufen muss. Nach kurzer Wartezeit kommt eine junge Frau, die uns aufnimmt und alles zeigt. Das Zimmer ist sehr spartanisch eingerichtet, erfüllt aber seinen Zweck - eine Übernachtung auf dem Jakobsweg.
Nach Dusche und Wäsche suchen wir uns einen Eissalon. Darauf hat Susanne schon seit Tagen Lust. Mit einem Eis in der Hand geht es in Richtung Zentrum, wo wir noch das Sanctuario de Virxe Peregrina aufsuchen. Das ist eine auf dem Grundriss einer Jakobsmuschel gebaute Kirche zu Ehren einer als Pilger in dargestellten Gottesmutter. Auch hier ist der Pilgerstempel Pflicht. Allerdings müssen wir jetzt aufpassen, denn die Stempelfelder im Pilgerpass sind nicht unendlich und einen zweiten Pass wollten wir nicht noch beginnen. Anschließend werden noch Getränke für den nächsten Tag eingekauft. Während sich Susanne ein wenig ausruht, gehe ich noch zur Real Basilica de Santa Maria la Mayor, wo ich auf den Turm steige und eine schöne Aussicht auf die Stadt habe. Bevor ich zurück ins Zimmer gehe, frage ich direkt gegenüber im Restaurant Makys, ab wann wir etwas essen können. Es wird, wie hier oftmals vor Ort üblich, erst ab 20 Uhr möglich sein. Das heißt, noch gut drei Stunden warten.
Dann ist es soweit, wir gehen die 20 Schritte rüber und setzen uns einfach mal hin. Da ich ja weiß, dass hier nur Carlos, der Chef, ein paar Brocken Englisch kann, könnte es schwierig werden. Ein paar Tische weiter beginnt ein junger Mann schon zu schmunzeln. Mit ihm unterhält sich Carlos per Übersetzer auf dem Smartphone. Nachdem wir aus einer englischsprachigen Karte unser Essen ausgewählt haben - Tortilla, Piementos de Padrón und Pulpo - kommen wir mit ihm über drei Tische hinweg ins Gespräch - er kommt aus Deutschland und ist beruflich hier. Das Essen ist lecker und nachdem wir alles weggeputzt haben, fragt Carlos bei uns ebenfalls per Smartphone, ob wir no h ein Postre (= Dessert) haben möchten. Warum nicht, wir nehmen Schokoladenkuchen und Großmutterkuchen, beide sehr lecker. Währenddessen quatschen wir weiter mit unserem Landsmann. Es ist ein netter Abend in einem tollen kleinen Restaurant mit einem sympathischen Chef. So liebe ich den Camino.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen