Mittwoch, 25. August 2021

Konzert im Walde

1. Etappe von Valença do Minho nach O Porriño (20,9 km)

Auch diese Nacht war unruhig, liegt unser Hotel Val Flores direkt an einer Hauptstraße, die sich bei leichtem Schlaf irgendwann doch bemerkbar macht. So sind wir beide in der Nacht mehrfach wach, können aber immer wieder einschlafen. Gegen 6 Uhr macht es dann aber keinen Sinn mehr und wir machen uns allmählich abmarschbereit. Eine gute Stunde später geben wir an der Rezeption den Zimmerschlüssel ab und wären dann soweit für die erste Camino-Etappe.

Der immer sehr gut markierte Weg führt uns zunächst wieder in das historische Zentrum von Valença do Minho, das im Vergleich zu gestern zu dieser Zeit noch menschenleer ist. Es dauert nicht lange, bis wir auf erste Pilger treffen, die ebenfalls gerade im Aufbruch sind. Wir werden heute einigen Pilger begegnen, vornehmlich Portugiesen und Spanier. Aber ganz so überlaufen scheint mir der Portugues zumindest in unserem Bereich nicht zu sein. Durch einen längeren Tunnel wird die Festungsanlage verlassen und wir sind schon direkt an der Ponte Internacional über den Grenzfluss Minho zwischen Portugal und Spanien. Die Grenze überschreiten wir mittig der Brücke, wo auf dem Boden eine entsprechende Markierung angebracht ist.

Am Horizont geht inzwischen die Sonne auf und unsere Uhren zeigen eine Stunde später an - spanische Uhrzeit! Wir laufen ein Stück durch die Vorstadt von TUI, werden dann aber noch einmal an das Ufer des Minho geführt, wo wir noch einmal nach Valença zurückblicken können. Vorbei an großflächigen Malereien geht es nun durch schmale Gassen aufwärts zur Kathedrale von Tui, die aber noch verschlossen ist. Dafür hat aber direkt um die Ecke eine Herberge mit kleinem Shop schon geöffnet, wo wir einen ersten Stempel erhalten. Inzwischen gibt es ja auch einen digitalen Pilgerausweis, den ich mit dem aushängenden QR-Code um einen ersten Stempel eröffnen will, was aber nicht klappt. Mir ist der analoge Ausweis sowieso viel lieber. 

Kurz darauf steht vor einem Haus eine Kiste mit Obst, den die Bewohner den Pilgern anbieten. Gerne nehme ich mir eine Birne mit. An der mittelalterlichen Ponte la Veiga steht ein großes und bekanntes Granitmonument, das einen Pilger mit Stab darstellt. Diese Skulptur ist so etwas wie das Symbol des Camino Portugues geworden. Ich habe sogar einen Schlüsselanhänger damit. Nach 6,5 Kilometern erreichen wir die Bar Muñiz in A Virxe do Camino, wo wir uns zum Frühstück Cafe con leche und ein Boccadillo gönnen. 

Nach einer halben Stunde Pause ziehen wir weiter. Man sollte immer aufmerksam sein, denn am Rande kann man immer wieder Statuen oder Malereien zum Camino entdecken. Wir laufen jetzt eine Weile an einer Straße entlang, der Fußweg ist aber von der Straße getrennt. Dann biegen wir in den Wald ab und es riecht leicht nach Hustenbonbons. Überall stehen hier Eukalyptusbäume, die mal vor Urzeiten gepflanzt wurden, als schnell wachsendes Holz benötigt wurde. Heute sind die Bäume aufgrund des hohen Wasserverbrauches mancherorts ein Problem. 

Auf einmal hören wir leise Dudelsackmusik. Mein erster Gedanke, das ist der Klingelton eines der beiden Pilger vor uns. Der Klingelton dauert inzwischen sehr lange und wird zunehmend lauter. Hinter der nächsten Biegung löst sich das Rätsel, denn an der Ponte das Febres aus dem 13. Jahrhundert stehen zwei Musiker mit ihren Instrumenten, die den Pilgern ein Ständchen bringen. Ja, geht es mir durch den Kopf, du bist tatsächlich auf dem Jakobsweg. Kurz darauf überqueren wir die Ponte Romana de Orbenlle. Hier und auch auf weiteren Passagen der nächsten Tage laufen wir auf der historischen Römerstraße XIX. 

Schließlich erreichen wir die Stelle, wo sich zwei Möglichkeiten zum Weitergehen anbieten. Rechts geht es etwas kürzer durch ein Gewerbegebiet, links etwas länger eher durch die Natur. Früher wurden hier die Markierungen immer wieder verändert und übermalt, damit die Pilger doch bitte rechts weiterlaufen, weil es dort Einkehrmöglichkeiten gibt. Heute stehen an der besagten Stelle zwei Monolithen mit der jeweiligen Richtung sowie ein Hinweisschild. Anscheinend habe sich die Wogen etwas geglättet. Wir wählen natürlich die linke Variante, den Camino Complementario, wie auf dem Monolith vermerkt ist. Es geht entlang von Mais- und Weinfeldern und überfuteten Wegen. 

An einem Rastplatz mit Getränkeautomat, der leider nicht funktionstüchtig ist, machen wir für eine Viertelstunde eine weitere Pause. Das muss einfach mal sein zwischendurch. Es sind jetzt nur noch rund 4 Kilometer bis zu unserem Tagesziel O Porriño. Hinter einer Unterführung würde der Camino geradeaus weitergehen, es gibt aber such gelbe Pfeile, die nach links auf den Trail do Louro zeigen. Wir entscheiden uns, dem Bachverlauf zu folgen, da dieser Weg schöner zu sein scheint, als an der Straße entlang. Einziges Manko dabei sind rund 100 Meter Weg an einer Kläranlage vorbei, deren Gerüche der Wind direkt zu uns trägt. Am Ende des Trails erreichen wir die öffentliche Herberge von O Porriño, an der wir allerdings nach rechts in Richtung Stadtmitte abbiegen. Kurz vor dem Bahnübergang befindet sich das Restaurant Paso a Nivel, wo wir gegen 14 Uhr Ortszeit eintreffen und uns einchecken müssen. Die Info kam unterwegs per WhatsApp von José, dem Besitzer. Eine Mitarbeiterin begleitet uns zur eigentlichen Pension Cando, die sich ein paar Straßen weiter befindet. Mit einem Code können wir unser Zimmer öffnen, das zwar klein, aber völlig ausreichend und vor allem sauber ist.

Es folgt das übliche Prozedere: Duschen, waschen, einkaufen und natürlich ausruhen für den nächsten Tag. Da wir aber Hunger haben, gehen wir zurück ins Restaurant, sind natürlich um circa 17 Uhr für spanische Verhältnisse ziemlich früh dran. Das bekommen wir auch sofort zu spüren. Bis auf eine kleine Auswahl kann man erst in drei Stunden aus der Karte wählen. Wir entscheiden uns für die Kleinigkeiten, die aus einem Nudelsalat mit Thunfisch und einem Hähnchenburger bestehen. Wahrscheinlich war es Schwäche, in Wirklichkeit aber eine schiefe Tischkante, die mich einen halben Liter kostet, als das Glas umkippt. Zum Dessert gibt es noch leckeren Kuchen und einen kleinen Verdauungsspaziergang durch die Stadt. Gegen 19 Uhr sind wir wieder in Zimmer und hoffen auf eine ruhige Nacht. 

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