Eigentlich wollten wir den Abend bei einem kleinen Estrella ausklingen lassen, aber es kam dann doch anders. Zunächst trudelten drei Franzosen in die Herberge, die eigentlich "completo" war. Da sie jedoch hinter dem Haus ihre Zelte aufschlagen wollten, war alles in bester Ordnung und keiner hatte etwas dagegen. Kurz darauf erschienen Sibille und Leonhard aus Innsbruck, die bisher den Camino del Norte gelaufen waren. Sie entschlossen sich spontan, mit ihren Schlafsäcken ebenfalls draußen zu übernachten. Mit den beiden kamen wir in ein sehr schönes Gespräch, das durch das Eintreffen zweier weiterer Personen unterbrochen wurde. Es handelte sich um einen Deutschen mit seiner spanischen Begleiterin, dem die Outdoor-Übernachtung ebenfalls recht war. Nun führten wir zu dritt ein richtig gutes Gespräch. Der junge Mann stammte aus Zwickau, hatte im Westerwald Schmied gelernt und lebt nun in Vigo. In Gedanken taufe ich ihn auf den Namen "Der Schmied". Er erzählt eine fesselnde Geschichte zu Fisterra und Muxia: "Jeder Schritt auf dem Jakobsweg und nach Fisterra ist ein Tag deines Lebens. Am Kilometerstein 0 ist alles zu Ende und du stirbst. Gehst du jedoch weiter nach Muxia, wirst du wiedergeboren und alles beginnt erneut ." Ich bin begeistert von dieser Idee, man kann sie sehr gut in sein eigenes Leben übertragen. Für mich bedeutet es, dass du am Ende deiner Pilgerreise in Fisterra, am Ende der Welt, deinem Balast ablegst, um mit dem Neubeginn in Muxia ein verändertes Leben zu führen. Gegen 23:00 Uhr überkam uns die Müdigkeit und wir zogen uns in die jeweiligen Schlafplätze zurück. Kurz darauf ertönten draußen Kanonenschläge. In Negreira wurde ein kleines Feuerwerk abgebrannt und das nächste Feuerwerk vernahm ich dann gegen 3:15 Uhr, als ich von lauter Musik wach wurde. Ich konnte es kaum glauben, aber in der Stadt fand mitten in der Nacht ein Konzert statt. Unglaublich! Unsere Vorbereitung für den heutigen Tag beginnt um kurz nach 5:00 Uhr, eine Stunde später stehen wir in den Startlöchern. Einige Pilger sind bereits unterwegs. Wir verlassen mit den Mädels die Herberge und tauchen in die Dunkelheit ein. Die erste Passage beleuchtet uns Olli mit der Taschenlampe seines Handys, sonst wäre es schwierig bei jedem Schritt. Die Mädels sind flott unterwegs und schon bald aus unserem Blickfeld entschwunden. Dafür sind zahlreiche andere Pilger unterwegs, die wir nicht alle kennen. Nach 12 Kilometern machen wir in einer Bar erstmals Rast und lernen einen Pilger aus Frankfurt kennen. Wir kommen heute gut voran und wollen wieder in der öffentlichen Herberge übernachten, die zweiunddreißig Betten bietet. Wir laufen vornehmlich auf kleinen, wenig befahrenen Straßen. Vor uns und hinter uns sind so viele Menschen unterwegs bis ans Ende der Welt, wie wir es noch nicht erlebt haben. Einige sind sehr offen, anderes sehr in sich eingekehrt. Am Rande des Weges befinden sich überwiegend landwirtschaftliche Nutzflächen, über die man bei inzwischen blauem Himmel wunderbar in die Weite schauen kann. Die Temperatur steigt allmählich an, so wie unser Weg. Der Schmied hat uns schon vor dem grünen Berg gewarnt. Damit hat er den Monte Aro gemeint, der sich vor uns auftürmt. Wir müssen zum Glück nicht bis ganz nach oben, sondern umlaufen ihn überwiegend. Während des Abstieges haben wir einen herrlichen Ausblick auf einem größerem See, dem blau erscheinenden Encoro da Fervenza. Es geht weiter durch kleine Dörfer, die von zahlreichen vor Horreros (Kornspeicher) umgeben sind. Nach knapp 33 Kilometern haben wir die Königsetappe unserer Pilgertour mit einer Gehzeit von 6:25 Stunden ganz gut hinbekommen. Wir finden schnell die Pilgerherberge, die sich auf mehrere Häuser eines alten Bauernhofes verteilt, und wir können uns Im großen Haus ein Bett aussuchen, da wir dort die ersten sind. Die Hospitalera wird erst um 19:00 Uhr zu Registrierung erscheinen. Die Zeit nutzen wir zu unseren täglichen Nachbereitungen, die auch in der benachbarten Bar O Peregrino stattfinden. An unseren Tisch gesellt sich etwas später Klara aus Bonn, die vor ziemlich genau vier Monaten von zuhause aus durch Frankreich und dann auf dem Camino del Norte und dem Camino Primitivo nach Santiago unterwegs war. Sie ist eine angenehme Gespächspartnerin, mit der wir uns längere Zeit über ihre Erfahrungen in einer sehr angenehmen Atmosphäre unterhalten. Dazu bekommt sie noch Tipps für einen geplanten Marathonlauf. Zum Abendessen sitzen wir mit Nathalie, Klara und Klaus zusammen und haben eines schöne Zeit.
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