Ich hatte nicht gedacht, dass die Nacht ruhig verlaufen sollte. So täuscht man sich in Jugendlichen. Die Gruppe hat sich sehr gut verhalten, vom Kochen und Zubettgehen habe ich nichts mitbekommen. Olli wird gegen 5:40 Uhr wach und packt leise Ruck- und Schlafsack zusammen und verlässt den Schlafsaal. Ich mache es ihm nach, denn ich bin ebenfalls wach. Anscheinend wollen wir einfach nur auf die Straße. Ein älterer Pilger, der bis jetzt noch nichts mit uns gesprochen hat, verspeist fertig angezogen eine Banane und zwei Orangen. Derweil machen Olli und ich uns ganz gemütlich fertig: Schlafsack zusammenrollen, Füße mit Hirschtalg verwöhnen und Zähne putzen, Rucksack verpacken noch mal alles kontrollieren. Inzwischen kommt Leben in die Bude. Vier Mädels beginnen ebenfalls mit ähnlichen Tätigkeiten wie wir. Der ältere Pilger ist bereits in die Dunkelheit gezogen. Wir warten noch etwas ab, bis es draußen hell wird. Das ist um 6:50 Uhr der Fall. Wir verabschieden uns mit dem Pilgergruß von der Jugend und starten in den Tag. Es geht durch Neda und dann etwas höher gelegen in Richtung Fene weiter. Von hier man wunderschöne Ausblicke auf die Ria de Ferrol (Ria ist ein Meeresarm, der ins Landesinnere hinein ragt). Noch ist am Himmel eine fast geschlossene Wolkendecke zu sehen, aber es tun sich ab und zu schon erste hellere Fenster auf. Nun passieren wir öfter traditionelle Waschhäuser und schlängeln uns von der Höhe abwärts nach Fene. Auf der anderen Straßenseite lacht uns die Var El Camarote an. Es ist kurz nach 8 Uhr, also durchaus Zeit für ein Frühstück. Zum Kaffee - für mich wieder mit viiiiel Milch gibt es Croissants und den Pilgerstempel. Einen Herrn bitten wir, mit dem vor der Bar wartenden Pilger ein Foto zu machen. Zudem schenkt er uns noch eine Jakobsmuschel. Erneut sind wir erstaunt über die Freundlichkeit der Menschen hier. Wir verabschieden uns und lassen den urbanen Siedlungsraum hinter uns. Es geht aufwärts in die Natur. Vor uns liegt ein Stück Eukalyptuswald dessen Luft wir inzwischen sehr lieben. Kurz darauf kaufen wir in einer Tankstelle Wasser und ich richte meinen rechten Schuh samt Socke noch einmal her. Dann geht es weiter großzügig um ein Gewerbegebiet herum. Ein Vater mit Sohn überholt uns und hinter uns hören wir die lauten Stimmen einer Jugendgruppe. Und dann passiert es: wir folgen den beiden und verpassen prompt eine Markierung. Zum Glück laufen wir nicht zu lange in die falsche Richtung. Zu viert werden wir von einer Spanierin wieder auf den rechten Weg gewesen. Dabei kommen wir ins Gespräch und erfahren, dass sie aus New York kommen. Doch schon bald trennen sich unsere Wege, die beiden möchten eine Kleinigkeit frühstücken. Olli und ich gehen weiter bis nach Pontodeume. Auf der rechten Seite einer Parkanlage sehen wir die Jugendgruppe, die ebenfalls eine Rast macht. Wir atmen auf, denn wir haben schon befürchtet, dass wir keinen Platz in der Herberge von Mino mehr bekommen. Das idyllisch an der Ria de Ume gelegene Städtchen ist mittelalterlich geschmückt, denn es findet am Wochenende ein entsprechender Markt statt. In der Tourist-Information erhalten wir von einer sehr freundlichen Mitarbeiterin unseren Stempel. Leider sind wir zu einer blöden Uhrzeit hier, denn in allen Bars gibt es erst ab 13:00 Uhr etwas zu essen. Glücklicherweise bekommen wir in einer mittelalterlichen Bäckerei einen Fladen mit einer Gemüse-Thunfisch-Füllung, der sehr lecker ist. Nun wird es heftig: über einen langgezogenen Anstieg verlassen wir die Stadt und treffen noch einmal auf die Amerikaner, während eine große Schülergruppe an uns vorbeifliegt. Irgendwie bleiben Vater und Sohn dann hinter. Sie wollten, wie wir, bis Mino laufen. Der Weg führt durch herrlich einsame Natur, unterbrochen vom kleinen Siedlungen mit sowohl alten, verfallenen als auch neueren Häusern. Nach einem Golfplatz wird die Autobahn überquert und wir haben einen nicht enden wollenden Anstieg vor uns. hoffentlich sind die ganzen Holzkreuze am Zaun kein schlechtes Omen. Bald sind wir oben angekommen und dürfen das Ganze noch einmal abwärts gehen. Vor uns liegt endlich das Tagesziel Mino. Um zur Pilgerherberge zu gelangen, müssen wir noch einen großen Bogen laufen. Um 13:50 Uhr sind wir nach rund 26 km mit dem heutigen Tagwerk fertig. Die Herberge am Ortsrand ist noch leer. Wir sind die ersten Pilger für heute. jetzt folgt die tägliche Routine: Bett aussuchen, duschen, waschen. Gegen 15:00 Uhr trifft der Hospitalero ein und bittet uns, um 20:00 Uhr hier zu sein. Inzwischen ist eine weitere Stunde vergangen und es kommen noch zwei Spanierinnen in die Unterkunft. Wir sind gespannt, wie viele Pilger heute hier übernachten. Während auf der Wäscheleine unsere Sachen die Nässe verlieren, ruhen wir uns noch etwas aus. Gleich gehen wir in die Stadt, um etwas zu essen. Übrigens, hatte ich fast vergessen: seit heute Mittag begleitet mich Bernd, eine Blase an der rechten Ferse, hat sich ganz unbemerkt eingeschlichen (der Name hat nichts mit mir bekannten Personen mit diesem Namen zu tun).
Nachtrag: da wir in der Stadt nichts zu Essen finden, plündern wir den örtlichen Supermarkt. Unsere Beute: Cerveza, queso, fuet,pan. Und beim Verzehr vor der Herberge werden wir noch von den vier jungen Spanierinnen überrascht, die sich heute auch schon früh für den Abmarsch vorbereitet hatten.
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