Gut und tief geschlafen nach der gestrigen längsten Etappe unseres Camino Portugues. Wir sind erst gegen halb acht Uhr aufgewacht und beginnen in Ruhe den Tag. Heute wollen wir in die Pilgermesse um 9:30 Uhr. Da die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, rechtzeitig in der Kathedrale zu sein, gehen wir auch schon bald dorthin. In Erwartung einer langen Schlange vor dem Eingang am Nordportal gibt es allerdings eine Überraschung: keine Schlange, kaum Leute und direkter Zugang in die Kirche. Wir sind so früh da, dass wir in der fünften Reihe einen guten Platz finden. Die Besucher sitzen außerdem mit höchsten zwei bis drei Personen in den neuen Bänken.
Das Innere der Kathedrale glänzt nach der Renovierung. Na gut, das tat sie aufgrund der vielen Gold- und Silbertöne vorher auch schon, aber man bemerkt schon einen gewissen Unterschied. Einen Unterschied zu den mir bekannten Pilgermessen erkenne ich aber auch schon recht bald. Es konzelebrieren lediglich zwei Geistliche, keine singende Nonne und damit auch kein Gemeindegesang und kein Botafumero. Und nach 35 Minuten ist die Messe auch schon wieder vorbei.
Da wir bisher noch kein Frühstück hatten, suchen wir uns jetzt eine Gelegenheit. Das dauert, schließlich finden wir ein Café. Es gibt Café con Leche und zwei Scheiben Toast sowie Orangensaft. Das sollte für's erste reichen und den Hunger stillen. Anschließend bummeln wir noch etwas durch die mit Arkaden gesäumten Straßen und gehen in das Kathedralmuseum. Leider besteht keine Möglichkeit, die Portico de Gloria zu besichtigen, da hätten wir schon vor einigen Tagen ein Ticket online kaufen müssen. Dafür können wir aber noch in den Bischofspalast rein.
Nach dem Museumsbesuch setzen wir uns noch etwas an den Rand des Plaza de Obradoiro und beobachten ein ankommende Pilger. Darunter befinden sich auch Eva und Bernd aus dem Sauerland, die wir jetzt zum dritten Mal treffen. Die beiden werden noch den Camino de Fisterra dranhängen. Eigentlich wollte ich nach einem schönen Souvenir Ausschau halten, aber es auf den ersten Blick all die Sachen, die es 2018 auch schon gab, keine neuen Artikel für Wiederholungstäter. Meine Muschel habe ich ja schon vor ein paar Tagen in O Porriño und eine weitere in Cesantes bekommen. Bleibt vorerst nur eine kleine Magnetkeramik, von der ich schon die anderen Jahre habe, als ich in Santiago war. Wir gönnen uns noch auf dem Weg zum Hotel ein Eis und legen eine kleine Pause ein. Auch das Schlendern durch die Stadt strengt an.
Für 16 Uhr hat die deutsche Pilgerseelsorge zum Pilgertreffen mit einem Impuls zur Heiligen Pforte eingeladen. Daran nehmen wir Teil, Treffpunkt ist in Sichtweite der Heiligen Pforte. Außer Susanne und mir gesellen sich Vater und Tochter aus der Nähe von Ingolstadt dazu, die in diesem Jahr auf dem Camino Frances ab Léon unterwegs waren. Außerdem kommt noch Josef mit seiner Frau dazu. Ihn kenne ich bereits, da er in den vergangenen Jahren auch schon zum Team der Pilgerseelsorge gehörte. Die beiden sind heute mit dem Fahrrad angekommen, gestartet sind sie im Elsass. Nach einer kurzen Vorstellung erzählt jeder von seinen Erfahrungen, was war gut, was weniger, wie war das Ankommen. Es ist eine schöne Gesprächsrunde unmittelbar neben der Heiligen Pforte. Den Abschluss bildet ein kurzer Impuls zum Nachdenken über eine Tür oder Pforte. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an die Pilgerseelsorge, es ist gut, dass es dieses Angebot gibt.
Bevor wir wieder in Richtung Hotel gehen, wollen wir noch einmal zum Plaza de Obradoiro vor der Kathedrale. Es macht so viel Spaß, den ankommenden Pilgern zuzusehen. Zum Abschluss machen wir noch ein schönes Foto, kommen dabei mit ein paar älteren Pilgern aus der Würzburger Ecke ins Gespräch. Die haben vor 13 Jahren begonnen, in Abschnitten nach Santiago zu pilgern, kannten sie teilweise gar nicht und sind inzwischen zu einer tollen Gruppe geworden. Eine Pilgerin hat sogar ein paar Jahre in unserem Koblenzer Stadtteil gewohnt.
Um kurz nach 18 Uhr sitzen wir direkt neben dem Hotel in einem Restaurant. Es ist klein, aber hübsch und bietet ein Menü für kleines Geld an. Da gerade pünktlich, wie angekündigt, ein Gewitter mit Regen über Santiago hinwegzieht, setzen wir uns lieber rein an ein offenes Fenster. Schon bald kommt das Essen, Caldo Gallego, Cous Cous und Chicken Curry. Schmeckt alles so was von lecker. Da überlegen wir nicht lange, morgen werden wir dort noch einmal zu Abend essen. Als "Gegenleistung" für das Trinkgeld gab es von der Wirtin ein getrocknetes vierblättriges Kleeblatt.
Da unsere Getränkevorräte allmählich weniger werden, gehe ich noch einmal zu einem Supermarkt. Auf dem Rückweg zum Hotel werde ich zweimal von einem kurzen Schauer überrascht. Zum Glück befinde ich mich beide Male in der Nähe von geöffneten Kirchen: der Igrexa de Santa Maria Salomé (der einzigen Kirche in Spanien, die der Mutter von Jakobus geweiht ist) und der Igrexa de San Bieito do Campo. Dann habe auch ich genug für heute. Mal gespannt, was der morgige Tag für uns vorgesehen hat.