20.07.2024: Roncesvalles - Zubiri (21,9 km)
Gestern war die Albergue von Roncesvalles richtig gut belegt. Die niederländischen Hospitaleros sprachen von 60 Pilgern (so haben Jörg und ich es verstanden), zwei Betten wären noch frei gewesen. Bei einer Kapazität von 183 gemäß dem Internetportal Gronze erschien uns diese Zahl aber deutlich zu gering. Das sehen wir auch heute, es sind sehr viele Menschen unterwegs. Gestern sind z.B. rund 2.000 Pilger in Santiago de Compostela angekommen, das waren vor ein paar Wochen schon mal die Hälfte mehr. Aber da hilft kein Nörgeln, denn wir sind ja selbst auch ein Teil dieser Pilgermasse. Uns beiden macht es jedenfalls nichts aus.
Nervig ist es allerdings, wenn die ersten für 4:30 Uhr ihren Wecker stellen und beim Packen ihrer Sachen lärmig sind. Und lautes Reden kommt bei allen, die noch nicht bereit zum Aufstehen sind, überhaupt nicht gut an. Vielleicht lernen diese Störenfriede in den kommenden Tagen noch, wie es sich geziemt. Wir sind erst eine gute Stunde später soweit, unsere Siebensachen zu suchen. Auch unsere beiden spanischen Kabinennachbarinnen erwachen aus ihrem Tiefschlaf. Um 6:00 Uhr gehen sämtliche Lichter an und aus den Lautsprechern ertönen gregorianische Gesänge. Zum Frühstück sind wir etwas zu früh dran, das wird in der Casa Sabina ab 7:00 Uhr serviert. Wir sitzen dort mit unseren beiden amerikanischen Pilgern vom Abend zusammen und quatschen wieder viel miteinander. Bereits eine Viertelstunde später stehen wir in den Startlöchern zu unserer vorletzten Etappe in diesem Jahr. Zuvor werfen wir noch einen Blick in die Jakobus-Kapelle aus dem 12. Jahrhundert und posieren für ein Foto an einem Monolithen mit der Entfernungsangabe 755 km bis Santiago.
Wir reihen uns ein die Pilgerschar und durchstreifen zunächst ein Waldgebiet, um danach durch kleinere Städte mit dem typisch baskischen Baustil zu laufen. Die Infrastruktur ist inzwischen richtig gut, es gibt ausreichend Wegweiser und an jeder Ecke findet man Unterkunftsmöglichkeiten oder eine Bar für einen Kaffee oder einen Snack. Wir nutzen das in Espinal nach 6,5 Kilometern, die in rund neunzig Minuten wie im Fluge vergehen. In der Bar Basque Irati trifft man bereits bekannte Gesichter, aber auch sehr viele neue. Es kommt das gewohnte Pilgergefühl auf, und man ist mitten drin.
Es folgt nun eine sehr naturbelassene Passage, mit schattenspendenden Blätterdächern über den Köpfen. Hin und wieder kreuzen wir eine Straße, auf der ständig Radsportler in hohem Tempo an uns vorbeirauschen. Für die Vuelta - die Spanien-Rundfahrt - ist es noch zu früh. Es scheint sich um eine Art Rad-Touristik-Fahrt zu handeln. Wir kommen gut voran und erreichen gegen 10:20 Uhr das Örtchen Gerendiain bei Kilometer 11,5. Dort spricht uns die Taverne El Dragón Peregrino an, wo wir eine längere Pause bei leckerem Craftbier aus der Region und einem Stück Spinat-Quiche einlegen.
So genau haben wir uns heute nicht mit dem Höhenprofil beschäftigt, denn noch im gleichen Ort beginnt eine Steigung, die annähernd so schweißtreibend wie gestern sein wird. Dabei überholen wir mehrere Asiatinnen, die dick verpackt und vermummt wie im tiefsten Winter unterwegs sind. Schließlich erreichen wir den Alto de Erro, wo nicht nur der anscheinend immer dort stehende Foodtruck vorhanden ist. Heute gesellt sich noch ein Verpflegungspunkt für die Radsportler dazu. Obwohl schon das Schlussfahrzeug sowie eine Handvoll Athleten, gibt es für uns Pilger nichts ab. Es folgt zum Abschluss des Tages ein längerer Abstieg, der sehr anspruchsvoll ist. Durch uralte Verwerfungen des Gesteins wirkt der felsige Untergrund zerfurcht und gleichzeitig nicht ungefährlich. Wir beide gehen sehr vorsichtig aber auch zügig abwärts und treffen gegen 13:35 Uhr in Zobiri ein. Zu unserem Erstaunen haben wir heute mit 818 sogar mehr negative Höhenmeter im Vergleich zu gestern gemacht, das waren „nur“ 588.
Unsere Albergue Secundo Etapa liegt schräg der öffentlichen Herberge. Von der Inhaberin werden wir darauf hingewiesen, dass der nahegelegene Supermarkt in einer halben Stunde schließt. Wir kaufen noch etwas Brot und Salami für heute Abend ein. Nach Überprüfung der Einkehrmöglichkeiten auf der morgigen Strecke ändern wir noch einmal das kulinarische Programm. Heute Abend gehen wir etwas essen und heben uns den Rest für unterwegs auf. Anschließend beziehen wir unsere Vier-Mann-Stube, auf der bereits ein ungarischer Pilger einquartiert wurde. Den Rest des Nachmittags nutzen wir zur Entspannung.
Gegen 16:30 Uhr gehen wir kurz zum Fluss, treffen dort Erik und den Dänen und genießen die Kühle in der leichten Strömung vor der mittelalterlichen Brücke. Danach wollen wir in der Bar Valentin für das Abendessen reservieren. Wir haben Glück, denn die Küche schließt in wenigen Minuten. So kommen wir doch noch den Bauch gefüllt und philosophieren mit Engländern, Iren und Spaniern über die Fußball-EM.
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