Auch heute besteht die Möglichkeit, bereits um 7 Uhr das Frühstück einzunehmen. Wir sind pünktlichst im Frühstücksraum und dort ganz alleine. Es wird ein typisch französisches „petit dejeuner“ angeboten: Baguette, Marmelade und Kaffee. Das Angebot ist reichlich und wir sind sehr zufrieden damit. Nach und nach trudeln noch weitere Gäste ein, doch wir sind die ersten, die fertig sind. Da wir schon im Zimmer alles für den Aufbruch vorbereitet haben, holen wir nur noch unsere Rucksäcke und starten in den Tag. Noch schnell den Zimmerschlüssel an der Rezeption abgeben, einen freundlichen Dank aussprechen und schon sind wir wieder auf dem Camino. Wir laufen durch den Park und stehen kurz darauf vor der Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Julliette, die aber rundherum mit einem Bauzaun und Gerüsten versehen ist. Ein Besuch muss daher leider ausfallen. So gehen wir unmittelbar nach nebenan und bestaunen das Palais Ducal aus dem 15. Jahrhundert, dem früheren Herzogspalast. Heute wird der Palast für repräsentative Zwecke und Verwaltungsaufgaben genutzt.
Über den Place de la République gelangen wir an das Ufer der Loire und überqueren den Fluss über die Pont de Loire, die 1767 geplant wurde, aber erst 1832 eingeweiht werden konnte. Von der anderen Seite hat man einen wunderschönen Blick auf Brücke und Kathedrale. Hier findet man auch einen ersten Hinweis auf die alternative Route des Jakobsweges, der wir folgen werden. Diese Route ist überwiegend identisch mit dem GR 654. Neben den typischen Markierungen der Grande Randonnées, übereinanderliegenden roten und weißen Balken, finden wir auch die uns schon bekannten Wegezeichen für die Via Lemovicenis. Wir laufen nun auf wenig befahrenen Straße parallel zur Loire nach Westen, zumeist aber nicht in Sichtweite des Gewässers.
Nach einer Weile biegen wir an einem Campingplatz auf einen Schotterweg ab und kommen dem Fluss deutlich näher. Die Loire ist in ihrem Verlauf sehr natürlich geblieben und fließt mit einer majestätischen Ruhe dahin. Wir laufen jetzt in schattigem Wald auf schmalen Pfaden, bis der Weg sich wieder etwas vom Fluss entfernt. Kurz darauf erreichen wir Gimoulle und entdecken dort einen kleinen Laden, in dem es neben Backwaren, Kaffee und wenigen Dingen für das tägliche Leben auch Ziegenkäse gibt. Da schlagen wir zu und pausieren zum ersten Mal für den heutigen Tag. Den Käse gibt es morgen zum Frühstück, einen café au lait jetzt sofort. Während der Pause unterhalten wir uns mit einem Ehepaar aus Deutschland, das per Fahrrad ans Meer unterwegs ist.
Dann wird es wieder Zeit, den Camino fortzusetzen, denn ab 15 Uhr ist ein Gewitter angekündigt, in das wir auf keinen Fall geraten möchten. Wir gehen nun am Canal Latéral a la Loire entlang, der kurz darauf mittels einer Brücke über den Fluss Allier führt. Am Ende der Kanalbrücke müssen Boote noch durch zwei Schleusen, um den Höhenunterschied von circa 10 m zu überwinden - ein interessantes Bauwerk. Wir verlassen den Kanal schließlich wieder nach Westen und stoßen auf einen weiteren Kanal, den wir ungefähr 2,5 km begleiten. Danach müssen wir wieder einmal auf eine Landstraße wechseln, an deren Ende uns das wunderschöne Dorf Apremont-sur-Allier empfängt.
Dicht am grünen Flussufer lassen wir uns vor einem Bistro nieder. Wir finden auf der Wiese ein Tisch für uns und legen - zur Mittagszeit angemessen - eine Pause mit einem Glas Bier ein. Auf einmal ertönt das Gegacker von zwei braunen Hühnern, die sich den Gästen aus größerer Entfernung nä-hern. Sie picken alles auf, was von den Tischen herabfällt. Erwartungsvoll schauen sie auch mich an, doch ich kann nichts anbieten. Allerdings haben Jörg und ich wohl zeitgleich eine Idee: da wir heute Abend kochen müssen, wäre jetzt als Zugabe ein Ei oder vielleicht ein ganzes Huhn gar nicht so schlecht. Bereitwillig legen sich die beiden Federviecher sogar zu meinen Füßen nieder, jedoch bleibt der finale Satz in einen unserer Rucksäcke dann zu unserem Unmut doch aus. Es wäre zu schön gewesen...
Auch diese Pause geht vorbei und wir haben noch gut 9 km Wegstrecke vor uns. Da die gleich nebenan positionierte Église Notre-Dame-de-l´Assomption offensteht, werfen wir auch einen Blick hinein, bevor es zunächst auf einer Straße aufwärts weitergeht. Kurz darauf biegen wir in einen Schot-terweg ein, der uns durch Wald führt. Wir haben aber wohl im Verlauf des Weges einen Abzweig verpasst und landen an einem See. Die in der elektronischen Karte eingezeichneten Wege entpuppen sich als Waldschneides, durch die wir nicht unbedingt wandern möchen. Wir navigieren uns also wieder in die korrekte Richtung und lauen auf einem Waldweg rund 3 km schnurgeradeaus weiter.
Inzwischen ist es etwas windiger geworden und es ziehen vermehrt Wolken auf, alles Anzeichen für ein aufkommendes Gewitter. Doch wir haben anscheinend mal wieder Glück und wir erreichen trockenen Fußes gegen 14:30 Uhr die Mairie von La Chapelle-Hugon. Auf der Rückseite des Rathauses befindet sich der Eingang zu der kleinen Herberge, deren Türe unverschlossen ist. Wir sind auf den ersten Blick überrascht, denn wir finden lediglich eine ausklappbare Schlafcouch vor, die aber wohl für uns beide für die Nachtruhe ausreichend sein muss. Die Unterkunft hat zudem ei-nen sehr sauberen Sanitärbereich und auch eine kleine Küche. Zu unserer Freude gibt es noch eine Waschmaschine, die wir sofort mit unseren getragenen Kleidungsstücken befüllen und in Gang setzen.
Ich finde in einem Schrank einige Teebeutel und koche eine Kanne Tee, die ich danach zum Abkühlen in den gut funktionierenden Kühlschrank stelle. Während Jörg schon etwas entspannt, hänge ich die Wäsche auf, die in kürzester Zeit trocknet. An meinem Rucksack muss ich erneut einiges verändern, da auf meiner rechten Schulter einfach zu viel Gewicht lastet und die nun ein wenig schmerzt. Ich hoffe, dass es mit der neuen Einstellung besser wird. In Vorbereitung auf morgen rufe ich in der Pilgerherberge Nos Repos in Augy-sur-Aubois an, damit René auch mit uns rechnen kann. Er bietet mir an, dass wir auch gerne mit seiner Familie zu Abend essen, was ich gerne für uns beide annehme. Gegen Abend gibt es auch heute etwas Warmes zu essen: die mitgebrachten Nudeln und die Tomatensoße. Was uns hier fehlt? Ein kühles Bier! Oder auch zwei…
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