Montag, 15. Juli 2024

Pyrenäen in Sicht

15.07.2024: Hagetmau - Orthez (29,0 km)

Heute erwartet uns eine der herausforderndsten Etappen der diesjährigen Pilgertour. Mit 29 Kilometern ist sie die längste und hat auch gleich ein mehrere Anstiege mit entsprechenden Höhenmetern für uns parat. Gegen 5:30 Uhr werden wir wie vorgesehen wach und beginnen, unsere Ausrüstung in den Rucksäcken zu verpacken. Eine gute Dreiviertelstunde später verlassen wir in der Dämmerung die Pilgerherberge und laufen fast drei Kilometer, bis wir das Ortsausgangsschild passieren. In dem Augenblick steigt linker Hand von uns die Sonne empor und sorgt für eine schöne Beleuchtung der Landschaft. Es ist noch angenehm kühl, genau wie von uns gewünscht.


Wir sind in diesem Jahr schon viele Kilometer an Maisfeldern vorbeigelaufen, jetzt sorgen auch einmal Sonnenblumen, die ihr Gesicht dem gelben Planeten zuneigen, für farbige Abwechslung. Vor Argelos erklimmen wir den ersten Gipfel und beschließen, uns ein nettes Plätzchen für die Frühstückspause zu suchen. Zwar einige Schritte vom Weg entfernt, finden wir eine Bank mit vorgelagerter Tischtennisplatte. Außerdem befindet sich nebenan die geöffnete Schultoilette (in Frankreich sind bereits Ferien). Wir haben jetzt knapp elf Kilometer absolviert, da schmeckt das rustikale Baguette von gestern mit der Leberpastete und der Salami richtig gut. Bevor wir weiterziehen, wechsle ich noch die Unterhose, da ich mich anscheinend ein wenig wundgescheuert habe. 


Inzwischen nimmt der blaue Anteil am Himmel immer mehr ab und graue Wolken bestimmen die Szene über uns. Hinter Argelos folgt gleich der nächste steile Abschnitt. Dafür sind aber jetzt am Horizont erstmals die Pyrenäen sichtbar. Es geht weiter durch eine Waldpassage, in der wir uns dauerhaften Angriffen von Bremsen ausgesetzt sind, die bei Jörg unter anderem eine blutige Einstichstelle hinterlassen. Nachdem wir diesen Überfall überstanden haben, nähert sich das nächste „Unheil“: es beginnt ein wenig aus den Wolken zu tropfen - aber nur für eine kurze Weile.


In Sault-Le-Navailles (= 16 Kilometer) wurde der Weg an einen Supermarkt umgeleitet, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist. Auf unserer heutigen Etappe gäbe es sonst keine Einkaufsmöglichkeit. Über uns wird allerdings zunehmend dunkler und die Wettervorhersage spricht von nichts Gutem. Eine Regenfront wird uns streifen, sodass ich zum zweiten Mal meinen Regenschirm benutze. Mitten im letzten Anstieg hört es dann doch noch auf und wir erreichen trockenen Fußes gegen 13:30 Uhr Orthez. Da die Tourist-Info erst in einer halben Stunde öffnet, setzen wir uns auf eine Bank unterhalb des monumentalen Donjons des früheren Château Moncade aus dem 13. Jahrhundert. Pünktlich zur Öffnungszeit erhalten wir den Schlüssel für die Pilgerherberge, die im Obergeschoss des Hôtel de la Lune untergebracht ist, einem Gebäude einer wohlhabenden Familie aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.


Die Unterkunft ist zweckmäßig eingerichtet, hat neben Waschmaschine und Trockner auch eine Küchenzeile, die wir am Abend nutzen werden. Nach dem Duschen wird gewaschen. Zunächst werden wir aber die noch in der Waschmaschine befindliche Bettwäsche in den Trockner. Einkaufen und den Blick auf die Pont-Vieux (13. Jahrhundert) sind die letzten Aktivitäten für heute. Lediglich ein Besuch in der nahe gelegenen Église Saint-Pierre steht für mich noch auf der Liste. Dort entzünde ich eine Kerze vor einer Statue der Bernadette Soubirou (der wir ja bereits in Nevers begegnet sind) für meinen französischen Pilgerfreund Marcel, mit dem ich auf dem Camino Primitivo viel Zeit verbrachte. Kurz vor meiner diesjährigen Abreise hat er mir von seiner Krebserkrankung erzählt. 


Später kommen noch Elisa und Nicolas in die Herberge, die morgen starten werden. Gegen 6:00 Uhr besuchen uns noch zwei Mitglieder der örtlichen Jakobusfreunde, die einen Tausch vom Übernachtungsgeld gegen einen weiteren Stempel anbieten. Dagegen können wir uns natürlich nicht wehren. Außerdem kaufe ich ihnen noch einen örtlichen Pilgerpass ab. Zu guter Letzt stößt noch Alexandre (der von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Vézelay geht) zu unsere Schar dazu, jetzt ist noch ein Bett frei. Und Jörg und ich freuen uns jetzt über eine leckere Paella. Gegen 21:30 Uhr wird die Herberge noch komplettiert durch Wojcek, der in seiner Heimat Polen Anfang Mai gestartet ist und heute rund 45 Kilometer gelaufen ist.





































 



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