Dienstag, 7. Oktober 2025

Verschleiß macht sich bemerkbar

07.10.1025: Pontevedra - Armenteira (16,7 km)


Ich habe die schlimmste Nacht hinter mir, seit wie auf dem Caminho Portugues unterwegs sind. Eine Pilgerin hatte noch nach Mitternacht ihr Licht an und knabberte genüsslich an ihren Keksen. Fast stündlich bin ich aufgewacht und konnte kaum wieder einschlafen. Zu störend waren die Schnarchgeräusche einer Frau nebenan. Spätestens gegen 6:30 Uhr war dann endgültig die „Nacht“ vorbei, als ich wieder einmal wach war und zusätzlich die ersten Autos an der Herberge vorbeifuhren. Wie alle anderen das hier aushalten konnten, ist mir ein Rätsel. Ich warte also noch, bis hier allmählich Aufbruchstimmung beginnt, lange wird es nicht mehr dauern.


Als wir gegen 7:45 Uhr aus dem Haus gehen, schnarcht die Dame immer noch vor sich hin. Es ist dunkel, aber etwas wärmer als gestern, also wieder komplett in kurz. Ein Paar meiner blauen Camino-Socken ist an der Ferse durchgelaufen, sodass ich ab heute ein neues Paar tragen werde. Weitere meiner Ausrüstungsgegenstände haben inzwischen Auflösungserscheinungen. Meine drei wasserdichten Beutel von Ortlieb sind jetzt auch in die Jahre gekommen und platzen an den Nähten auf. Das gleiche gilt für ein Merino-Shirt, das unter den Schulterriemen des Rucksackes leidet. Und zu guter letzt hat ein Brillenglas außerhalb des Sichtbereiches ein paar Kratzer abbekommen, woher auch immer. Es gibt also nach meiner Rückkehr einiges zu ersetzen.


Wir ziehen pünktlich um 8:00 Uhr los. Wir haben uns bereits frühzeitig entschieden, nicht wie die meisten Pilger den Hauptweg, sondern die Variante Espiritual zu gehen, an deren Ende eine Bootsfahrt auf uns wartet. Aber auch hier weichen wir von der offiziellen Route ab und suchen uns eine Abkürzung. Nach rund 5 Kilometern machen wir in A Seca eine ausgiebige Frühstückspause. Dabei haben wir uns etwas übernommen oder einfach nur unglücklich ausgedrückt. Neben dem Café con leche stehen für jeden ein Bocadillo mit Tortilla sowie noch Bocadillo mit Seranoschinken und Käse auf dem Teller. Das lässt Jörg in Alufolie einpacken und es verschwindet dann in seinem Rucksack. Der Spruch auf dem Zuckertütchen passt hervorragend dazu: Lerne gut zu leben, dann wirst du gut sterben können. (Konfuzius)


Ab A Seca ist die Variante gut markiert, deutlich besser als noch vor acht Jahren. In der ersten halben Stunde unserer Pause laufen schon über zwanzig Pilger an ins vorbei - sich hier ist richtig was los. Zum Glück haben wir bereits für heute vorgebucht. Das macht mich nachdenklich und ich reserviere vorsichtshalber ein Zimmer in Vilanova de Arousa, da die öffentliche Pilgerherberge nur eine begrenzte Anzahl an Betten hat. Es wird allerdings mit 35 € unsere teuerste Unterkunft. Um 10:15 Uhr ziehen wir weiter, kürzen noch einmal ab und landen wieder auf der gut markierten Variante. Es geht allerdings jetzt die folgenden fünf Kilometer vom Meerespiegel auf 320 Meter Höhe bis zum Miradoiro do Loureiro. Von dort oben hat man einen traumhaften Ausblick auf die Ría de Pontevedra. Wir müssen aber noch weitere einhundert Höhenmeter überwinden, bis es endlich wieder abwärts geht. 


Am Ende des Weges erreichen wir nach insgesamt über 500 Höhenmetern das Mosteiro de Santa Maria de Armenteira, einem ehemaligen Zisterzienserkloster aus dem 12. Jahrhundert. Heute lebt dort eine Gemeinschaft von Trapistinnen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu unserer Herberge, die bis vor einem Jahr noch eine öffentliche war.  Wir werden auf deutsch begrüßt, denn die Hospitalera stammt aus der Nähe von Heilbronn und hat eine spanische Mutter. Neu für uns: vor dem Betreten der Herberge werden unsere Rucksäcke desinfiziert: „Wir wollen keine Gäste haben, die nicht bezahlen!“ Gute Idee, hier werden wir keinen Besuch von Bettwanzen haben. Es ist kurz nach 13:00 Uhr, gerade erst hat die Herberge geöffnet. Wir bekommen unsere Betten zugewiesen, duschen, waschen und gehen zurück in Richtung Kloster, wo wir in einem Restaurant einen Salat und Pulpo essen. Etwas später trifft die Holländerin ein, sie übernachtet im Kloster. Wir tauschen mal unsere Namen aus, sie heißt Anne. Sie spricht von uns bisher von „The Germans“. Übrigens, bevor wir gehen, kommt eine Familie mit einem kleinen Mädchen an, die wir bereits in A Seca gesehen haben. Es gibt von allen Gästen tosenden Applaus, dass sie es bis hier geschafft hat. Wieder zurück in der Herberge treffen wir auch die Italienerin, die so gut wie keine andere Sprache spricht. Sie heißt Monica. Allmählich füllt sich die Herberge, heute ist sie ausgebucht. Es ist aber immer wieder erstaunlich, wie rücksichtslos sich auch erwachsene Menschen gegenüber sich ausruhenden anderen verhalten. Sie sind wohl der Ansicht, alleine zu sein und können einfach nicht die Lautstärke ihrer Unterhaltung etwas anpassen.






















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