Montag, 29. September 2025

Sind wir etwa Luxuspilger?

29.09.2025: Von Aguçadoura nach Antas (25,3 km)


Gegen 7:00 Uhr herrscht in unserer 6-Personen-Stube Aufbruchstimmung. Dabei stelle ich fest, dass das bis zu meinem Einschlafen verwaiste Bett belegt ist und daneben ein Rollstuhl steht. Bei der Vorbereitung auf den Tag komme ich mit ihm ins Gespräch, während seine Begleiterin ihm hilft. Die beiden kommen aus Bayern und haben den Caminho Portugues schon einmal absolviert. Größte Herausforderungen sind die Pilgerherberge, die meistens nicht barrierefrei sind. Um 7:40 Uhr sind wir abmarschbereit. Jörg hilft dem Rolli noch eine für ihn steile Rampe hoch, während seine Begleitung noch den Blick auf das Meer genießt. Ihr Spruch „Das Leben ist schön“ sagt eigentlich alles. Dem kann ich nur zustimmen.


Die ersten drei Kilometer laufen wir wieder auf Holzstegen, begleitet von der aufgehenden Sonne und dem Rauschen des Atlantiks. An einem Golfclub wechseln wir auf eine gut befahrene Straße, die mit Kopfsteinpflaster ausgelegt ist. Schon bald weichen wir von unserer Route ab und bevorzugen erneut ein Stück auf den Planken. Gegen 9:15 Uhr und nach knapp 8 Kilometern erreichen wir Apúlia, wo wir in der Bar dos Campeões unsere Frühstückspause mit Baguette und Café con leche einlegen. Wir sind in in wenig verwundert, dass außer uns kaum andere Pilger zu sehen sind.


Wir halten uns eine geschlagene Dreiviertelstunde auf, bevor wir wieder die Rucksäcke aufschnallen. Der weitere Weg nach Fão führt uns überwiegend über  Kopfsteinpflaster. Dort finden wir auch erstmals mit der Capela de Nossa Senhora da Lapa e da Senhora de Fátima de Fão eine offene Kirche direkt am Weg vor. Unmittelbar dahinter entdecke ich einen Elektroladen und frage, ob es dort ein Ladekabel für meine Powerbank gibt. Das leider nicht, dafür aber einen guten Hinweis auf einen Handyladen, wo ich auch fündig werde. Über eine Brücke queren wir den Rio Cávado und erreichen nur wenige Schritte dahinter bei Kilometer 13 die Raststation The X, wo es einen Stempel und etwas zu trinken gibt. Auch dort verweilen wir ein wenig, bis es weiter durch Esposende geht. 


Von meinem letzten Caminho Portugues da Costa habe ich noch in Erinnerung, dass es in einer Kirche einen weiteren Pilgerstempel gibt. So ist es auch, nämlich in der Igreja da Misericórdia de Esposende. Die Wegführung nach Marinhas hat sich nach all den Jahren etwas verändert. Anstatt an der Straße entlang geht es jetzt durch die Dünen. Gegen 13:00 Uhr folgt die nächste Pause, 18 Kilometer sind geschafft. Wir kommen gut voran, das Wetter ist sonnig bei ungefähr 25 Grad und manchmal weht ein erfrischender Wind. In Marinhas kehren wir zum dritten Mal ein, besorgen uns im örtlichen Supermarkt noch ein paar gesalzene Erdnüsse und Wasser. Wir passieren die Pilgerherberge von Marinhas, wo noch kein Pilger in der Warteschlange ist. Überhaupt haben wir heute nur ganz wenige Pilger unterwegs gesehen.


Nun geht es tatsächlich einmal aufwärts nach den vielen Kilometern direkt am Meer entlang. Wir laufen durch Belinho an der schönen Igreja Paroquial vorbei. Neu sind sich zwei Pilgerbrunnen, die erst vor zwei Jahren installiert wurden. Nur zwei Kilometer vor unserer Unterkunft lädt die tt-Bar zum Verweilen ein. Hier habe ich 2017 schon einmal ein Frühstück eingenommen. Es ist jetzt 15:00 Uhr und unsere Herberge öffnet erst in einer Stunde, also können wir uns Zeit nehmen. Tatsächlich kommen wir etwas vor der offiziellen Öffnungszeit in der Albergue Ulteya in Antas an und sind die ersten Pilger. Wir bekommen ein tolles Doppelzimmer und sind mit der gesamten Umgebung mehr als zufrieden. Zufrieden bin ich auch mit der Lufthansa, die mir die Kosten für das nicht genutzte Hotel in Porto erstattet. Zufrieden sind wir auch mit unserem Zimmer, das so wie gestern mit Bettwäsche und Handtuch ausgestattet ist.


Unsere Vermieterin weist uns darauf hin, dass heute kein Restaurant geöffnet hat. Da im Haus aber eine Küche ist, kaufen wir im nahegelegenen Supermärktchen ein paar Zutaten. Danach ist Jörg wieder in seinem Element und beackert den Herd. Heraus kommt eine ordentliche Portion Spaghetti mit Tomaten und Seranoschinken. Inzwischen hängt unsere frisch gewaschene Wäsche auf der Leine und gegen 19:00 Uhr verabschiedet sich unsere freundliche Gastgeberin von uns und wünscht uns für morgen alles Gute. Heute sind wir übrigens lediglich 6 Pilger im Haus, das eigentlich eine Kapazität von 23 hat. Das bestätigt aber noch einmal, dass wir heute sehr wenige Pilger gesehen haben.
































Sonntag, 28. September 2025

Portwein, Kuchen und Geschenke

28.09.2025: Von Labruge nach Aguçadoura (22,4 km)


Tja, das Wettrennen um die Betten scheint tatsächlich in diesem Jahr ein Thema zu sein. Bereits im 4:30 Uhr machen sich die ersten Pilger fertig, glücklicherweise sehr rücksichtsvoll, das haben wir schon anders erlebt. Wir stehen allerdings erst gegen 7:00 Uhr auf und da ist unser Schlafsaal mit seinen 14 Betten schon fast leer. Wir bereiten uns sehr gemütlich auf den ersten Pilgertag vor und machen dabei interessante Beobachtungen, worauf andere ihre Schwerpunkte legen. Eine Pilgerin macht sich während ich die Zähne putze neben mir Augenbrauen und Wimpern, hinter mir rauscht ein Fön. Auf dem Weg zu meinem Platz sitzt eine Koreanerin auf ihrem Bett mit einem kleinen Schminkspiegel und einer Puderdose in den Händen.  


Pünktlich um 8:00 Uhr verlassen wir die Herberge. Draußen ist es bereits angenehm temperiert, der Wind kühlt dagegen noch ein wenig. Wir erreichen bald die hier typischen Holzstege, auf denen wir heute viel Zeit verbringen werden. In Vila Chã kehren wir bereits nach 2,5 Kilometern im Café Sandra ein und genehmigen uns ein leckeres Croissant und einen Café con leche. Zudem wandert der erste Pilgerstempel für heute in den Pilgerausweis. Weiter geht es über die Holzplanken nach Vila do Conde mit reichlich Wind. Aber sich die Sonne kommt immer wieder durch und sorgt für annehme Wärme. Die imposante Front des Klosters Santa Clara jenseits des Rio Ave ist schon von weitem sichtbar. Unmittelbar hinter der Brücke macht eine Gruppe unter lautstarker Musik Aerobic. Wir verschwinden daher schnell in der Touristinfo am Flussufer, wo wir mit Freundlichkeit überhäuft werden. Die Mitarbeiterin bietet uns direkt ein Stück Kuchen und einen Portwein an. Ausserdem dürfen wir uns jeder einen Beutel mit Geschenken mitnehmen, die es am gestrigen Tag des Tourismus gab. Wir unterhalten uns kurz und bekommen einen weiteren Stempel. Weiter geht es am Flussufer, wo eine originalgetreue Nachbildung eines portugiesischen Ozeanschiffs aus dem 16. Jahrhundert liegt.


Dann kam der schlimmste Teil des heutigen Tages. Vila do Conde zieht sich kilometerlang und grenzt dann fast ohne Übergang an Póvoa de Varzim. Die kerzengerade Straße beginnt am Forte de São João Baptista, wo heute unzählige Biker ihre Motorräder zur Schau stellen. Auch auf dem Fußgänger- und Radweg ist heute Völkerwanderung angesagt, und zwar überwiegend entgegen unserer Laufrichtung. Spaziergänger, Sportler und Fahrradfahrer sind unterwegs, in Zahlen kaum auszudrücken. Es fehlen nur die Pilger, bis kurz vor Vila do Conde noch häufig vor und nach uns waren. Als wir dann endlich auch die letzten hochgeschossigen Häuser von Póvoa de Varzim hinter uns gelassen haben, wird es allmählich Zeit für eine längere Pause. Die ist längst überfällig, aber bei den Massen von Leuten gab es keinen schönen Platz.

 

Den finden wir nach 29 Kilometern gegen 13:00 Uhr mit dem Restaurant Barracuda Mar. Es liegt direkt am Strand mit Blick auf den Atlantik. Auf der Karte steht Fisch in allen Variationen, vor allem aber frisch. Wir entscheiden uns für gegrillte Sardinen, von denen jeder gleich fünf Stück serviert bekommt und die so lecker sind. Wir halten uns dort eine Dreiviertelstunde auf und sind nicht mehr weit von unserer heutigen Unterkunft entfernt. Kurz davor möchte uns die Besitzerin einer andere Herberge zu sich lotsen, wir sind aber heute schon vergeben. Nur wenige Schritte weiter erreichen wir die Albergue de peregrinos de Aguçadoura, die heute restlos ausgebucht ist. Das bekommen einige Pilger zu spüren, die spontan hier anfragen. Zum Glück haben wir reserviert - eine weise Entscheidung. Die Herberge ist noch recht neu, eingeweiht 2022, und sieht dementsprechend gepflegt aus. Übliches Prozedere: Duschen, waschen, ruhen.


Nach der Ruhephase haben wir Hunger, nicht viel, aber doch. Wir entscheiden uns für das Café Nortada, wo es auch Snacks gibt. Wir werden vom Personal gleich zweimal gefragt, woher wir kämen. Darauf wurde direkt versucht, ein paar Worte Deutsch mit uns zu sprechen. Mit unseren  paar Worten Portugiesisch können wir da

nicht mithalten. Während wir auf die Bestellung warten, läuft im Hintergrund „Anarchy in the UK“ von den Sex Pistols, wow. Auf den Teller kommt heute Abend ein Salat, dazu gesellen sich Super Bock (portugiesisches Bier) und Cola.