23.07.2027: Heimreise
Heute verlassen wir den Camino Frances, es geht nach zwei erlebnisreichen Wochen wieder zurück in die Heimat. Es fühlt sich schon ein wenig leer auf Rücken und Schulter an. Mein Rucksack und ich sind in den vergangenen vierzehn Tagen wieder richtig gute Freunde geworden. Erst im nächsten Jahr werden wir zusammenkommen.
Um sechs Uhr ertönt aus dem Lautsprecher im Flur der Casa Paderborn sanfte Aufwachmusik von Vangelis. Es kommt allmählich Leben in die Bude. Jörg und ich können uns etwas Zeit lassen, denn wir werden unser Frühstück als letzte einnehmen. Es gibt nur zwölf Plätze im Aufenthaltsraum, und es sind dreizehn Personen zum Frühstück angemeldet. Wir haben ja heute keinen Eile, denn unser erster Flug von Pamplona nach Madrid ist für 13:55 Uhr vorgesehen. Die meisten Übernachtungsgäste haben sich schon auf den Weg gemacht, während wir unsere Rucksäcke von Grund auf neu packen. Wir sind beim Frühstück nur noch zu dritt und genießen es.
Hermann und Karl beginnen schon mit ihren täglichen Aufgaben in der Herberge und verabschieden uns schließlich um kurz nach 8:00 Uhr. Sie bieten uns zwar an, die Rucksäcke später abzuholen, wir möchten aber ihre Abläufe nicht stören. Stattdessen gehen wir durch die allmähliche erwachende Stadt in Richtung Busbahnhof. Es dauert auch nur wenige Augenblicke, bis die Linie 16 erscheint und uns aufnimmt. Es sind lediglich sechs Haltestellen bis zur Rotanda Polígono Noáin-Esquíroz. Dort steigen wir aus und müssen noch ein wenig zu Fuß an einer Zufahrtsstraße zum Flughafen entlanggehen. Eine direkte Busverbindung dorthin gibt es nicht mehr, wahrscheinlich wegen der geringen Anzahl an Flugbewegungen. Allein heute starten noch neben unserem Flug zwei weitere, Landungen sind ebenfalls nur zwei vorgesehen.
Kurz nach 9:00 Uhr kommen wir in der kleinen Abflughalle an und nehmen eine längere Warteposition ein. Wir verkürzen die Zeit mit einem Snack und einem Getränk und warten weiter. Jörg verpackt inzwischen seinen Rucksack mit dreißig Meter Frischhaltefolie. Um 11:00 Uhr dürfen wir endlich unser Gepäck abgeben. Und wieder dauert es eine Weile, bis der Sicherheits-Check öffnet. Mit Blick auf die Rollbahn verfolgen wir per Flightradar die Reise unserer Maschine, die aus Madrid angeflogen kommt. Unser Flug startet planmäßig um 13:55 Uhr und bereits 38 Minuten später landen wir in Madrid.
Etwas schwieriger wird es mit dem Abschlussflug. Auf dem Abflugtableau wird unser Flug nach Frankfurt zwar angezeigt, aber ohne Gate. Das bleibt auch so bis zehn Minuten vor dem geplanten Boarding. Dann erscheint eine Meldung, dass der Flug um fast eine Stunde verschoben wird. Gleichzeitig trudelt auch eine Mail gleichen Inhalts ein. Leicht verspätet hebt die A320 NEO von Iberia ab und gleitet auf knapp 11.000 m Höhe mit einer Geschwindigkeit von 770 km/h quer durch Frankreich und über die Schweiz nach Frankfurt, wo wir nach nicht ganz 2:20 Stunden um 19:23 Uhr landen.
Wir müssen über eine halbe Stunde auf unser Gepäck warten und fahren anschließend mit dem Shuttle zum Terminal 1. Jörg und ich verabschieden uns wieder einmal nach zwei harmonischen Wochen auf dem Jakobsweg und freuen uns schon auf die Fortsetzung im kommenden Jahr. Ich bin relativ schnell am Regionalbahnhof und kann dort einen ICE mit Umstieg in Mainz bekommen. Da die Deutsche Bahn mitten in der Urlaubszeit die ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt zur Erneuerung von siebzig Kilometern Gleis gesperrt hat, kann ich nicht nach Montabaur fahren, wie es eigentlich geplant war. Auf dem Bahnsteig spricht mich eine ältere Frau an und bittet um Hilfe für ihre Verbindung - leider kann sie nur Spanisch. Meine Übersetzungsapp kann da aber gute Dienste leisten.
Unmittelbar danach werde ich mit meinem Namen angesprochen. Vor mir steht Matthias, den ich bestimmt seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich glaube, zuletzt haben wir uns auf meinem Polterabend gesehen, wo er mit seiner Band gespielt hat. Wir haben uns viel zu erzählen und finden auch die Zeit dazu, denn zumindest bis Koblenz nutzen wir den selben Zug. Die Spanierin nehmen wir unter unsere Obhut, sie will in Köln eine Freundin treffen.
Was wäre gewesen,
wenn der Flieger in Madrid pünktlich gestartet oder
das Gepäck früher auf dem Band in Frankfurt angekommen wäre,
wenn wir nicht sofort den Shuttle zum Terminal 1 bekommen hätten oder
die Spanierin auf dem Bahnsteig mich nicht angesprochen hätte?
Die Welt hätte sich zwar weitergedreht, aber Matthias hätte ich nicht getroffen. Das kann kein Zufall gewesen sein.
Um 22:30 Uhr fährt der Zug in den Koblenzer Hauptbahnhof ein und ich werde auf dem Bahnsteig von Susanne empfangen. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.
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