Dienstag, 16. Juli 2024

Als Pilger lernst du die Welt kennen

16.07.2024: Orthez - Sauveterre-de-Béarn (22,2 km)


Wenn man in einer Pilgerherberge die angebotenen Utensilien nutzt, sollte man diese nach Gebrauch auch wieder unmittelbar in den ursprünglichen Zustand versetzen. Das haben wir heute Morgen nach dem Aufstehen um 6:15 Uhr leider so nicht vorgefunden. Unsere Mitbewohner haben weder gespült noch den Tisch ordentlich hinterlassen, es stand sogar noch eine leere Fischdose darauf. Dann muss man sich nicht wundern, wenn man dann noch gesagt bekommt, dass für eine solche Herberge doch 15 € Übernachtungskosten viel zu viel seien. Jörg und ich sind da nur sprachlos.


Es gab gestern auch noch etwas Positives. Ich hatte Marcel von der aufgestellten Kerze und meinem Gebet geschrieben, auch ein Foto geschickt. Es kam eine sehr emotionale Antwort von ihm zurück, die mich sehr berührt hat. Ich hoffe, dass ich ihm mit solchen Kleinigkeiten ein wenig aus der Distanz von Pilger zu Pilger helfen kann, Kraft zu erhalten für den Kampf gegen die Krankheit. Für so etwas geht man auf den Camino, von solch einer Pilgerfreundschaft lebt der Camino.


Um halb acht sind wir abmarschbereit, haben alles zusammengepackt und ein kleines Frühstück eingenommen. Von unseren Mitbewohnern gibt es noch keine Spur, sie schlafen alle noch. Wir verlassen Orthez durch das Tor auf der Pont Vieux und haben den ersten Anstieg des Tages vor uns. Wir lassen es heute etwas ruhiger angehen, denn in die nächste Unterkunft können wir erst ab 15:00 Uhr rein. Nach circa 4,5 Kilometern finden wir vor der Kirche in Saint-Suzanne eine Sitzmöglichkeit und bleiben dort gleich eine halbe Stunde. Kurz nach dem Aufbruch spricht uns in Lanneplaà ein Autofahrer an, zunächst auf Französisch, dann in richtig gutem Deutsch. Er gibt uns den Tipp, in der Mairie Wasser zu bekommen. Wir sind aber noch gut versorgt, trotzdem empfinden wir das schon bemerkenswert. An einem Haus finde ich eine Plakette mit der interessanten Inschrift „Pelerin inconnu - tu connaitras le monde et personne tu ne connaitra“. Auf Deutsch ungefähr: „Unbekannter Pilger, du wirst die Welt kennenlernen und Menschen, die du bisher nicht kanntest.“


Unser nächster Stopp hat schon etwas Historisches an sich. In Hôpital-d'Orion gab es seit dem 12. Jahrhundert eine Komturei des Malteserordens mit einem Pilgerhospital, von der nur noch die einfach gehaltene Église Saint-Madeleine verblieben ist. Zur Erinnerung gibt es aber eine Statue von Jakobus in Pilgergewand. Hier halten wir uns wieder eine halbe Stunde auf und verzehren die verbliebenen Reste des Vortages. Bereits auf dem Höhenprofil haben wir es gesehen, es kommen noch zwei nette Anstiege. Erschwerend allerdings ist der manchmal matschige und zerfurchte Untergrund, der mit kräftigen Wurzeln oder  Gestein versehen ist. Man muss hier gut konzentriert zu Werke gehen, damit nichts passiert. 


Es sind nur noch rund vier Kilometer zu absolvieren, da weisen die Zeichen an einer Kreuzung nach links. Mein Track zeigt aber geradeaus. Zum Glück bemerkt Jörg das und wir wählen die nicht markierte Route, die deutlich kürzer ist. Zudem erreichen wir nicht weit entfernt an der Mairie von Burgaronne einen Aussichtspunkt für Pilger mit Rastplatz. Auch hier verbleiben wir eine halbe Stunde und vergleichen die Schautafel mit den originalen Gipfeln der Pyrenäen. Die letzten vier Kilometer verlaufen abwärts und vergehen wie im Flug. Da wir bereits um 14:30 Uhr in Sauveterre-de-Béarn eintreffen, nehmen wir  in einer Bar Platz auf und erlauben uns ein Bier. Auf dem letzten Stückchen Wegstrecke holen wir uns noch in der Touri-Info einen weiteren Stempel. Ziemlich genau um 15:00 Uhr stehen wir vor dem Maison de la Tour und werden direkt von Anne-Marie begrüßt. Die Französin ist mit einem Engländer verheiratet und spricht akzentfrei Englisch. Wir bekommen ein großes Zimmer mit einem großen und einem kleinen Bett. Nebenan gibt es noch ein weiteres Zimmer, das für eine Pilgerin vorgesehen ist, die sich aber mehrfach verlaufen hat und erst später eintreffen wird. Inzwischen gehen wir einkaufen und besorgen uns einiges für ein Abendessen, das wir im Haus einnehmen werden.























 

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