Übliche morgentliche Prozedur: 6 Uhr aufstehen, packen. Eine halbe Stunde später wurden wir von Marie zum Frühstück erwartet, das reichlich ausfiel. Es war so reichlich, dass wir uns erst um 7:20 Uhr loseisen konnten. Wahrscheinlich war das aber wieder einmal eines dieser Camino-Wunder, denn an der nächsten Kreuzung kam aus der Seitenstraße Frédéric. Zunächst hat er uns noch nicht bemerkt, aber wir schließen schnell zu ihm auf. Schön, dass wir uns getroffen haben, denn wir werden heute alle drei in der Pilgerherberge von Sainte-Ferme übernachten. Er hatte nicht ganz so viel Glück mit seiner Bleibe wie wir. Es war alles etwas oldstyle und wohl nicht mit der vorherigen Unterkunft zu vergleichen.
Wie laufen also gemeinsam weiter, laufen durch die ersten Weinberge und links von uns wird die Sonne immer intensiver. Aber auch heute weht uns ein leichter Wind entgegen, der zumindest die gefühlte Temperatur etwas senkt. Um ins herum ist es sehr ruhig, man hört vereinzelte Vögel, manchmal springt in unserer Nähe ein Reh durch die Rebstöcke. Den meisten Lärm machen aber die Hunde an den vereinzelten Höfen, die wir passieren. Ich lasse mich ein wenig zurückfallen, während Jörg und Frédéric sich in einem guten Gespräch befinden.
Ich verliere mich ein wenig in meinen Gedanken, stelle aber eine unglaubliche innere Zufriedenheit für die vergangenen Tage auf dem Camino in mir fest. Heute ist der vorletzte Tag und wir haben bisher wunderschöne Landschaften durchwandert, haben die Bekanntschaft von tollen Menschen gemacht, aber zu Beginn auch unsere Grenzen erfahren. Die Erfahrungen werden wir für den nächst Abschnitt einfließen lassen.
Unterwegs machen wir zwei kleinere Pausen, um dann um 13 Uhr bei Kilometer 22 in Pellegrue einen etwas längeren Stopp einzulegen. Die letzen sieben Kilometer sollen dann eine Kleinigkeit für uns werden. Wir unterhalten uns wieder sehr intensiv und vergessen dabei die Zeit. Zuweilen laufen wir aber auch mit zwanzig Metern Abstand zueinander, auch das muss zwischendurch sein. Der Weg führt uns wiederum über wenig befahrene Nebenstraßen, Wald- und Wiesenwege. Die Region benötigt auch dringend Regen, der Boden ist sehr trocken und aufgerissen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir Sainte-Ferme. Am Ortseingang befindet sich eine ehemaliges Benediktinerkloster aus dem 13. Jahrhundert, deren Klosterkirche sehr ursprünglich, aber schön ist. Nur zwei Ecken weiter ist die Pilgerherberge, in der wir von Claire und Michel empfangen werden. Claire spricht übrigens richtig gut Deutsch. Es ist eine kleine aber feine Herberge wie in Sorges, in der wir uns direkt aufgehoben fühlen. Wir freuen uns schon auf das gemeinsame Abendessen, das die beiden uns zubereiten.
Ja und dann hatte ich wieder einmal etwas mitgenommen, das eigentlich total überflüssig war. In diesem Jahr war es unbenutzter Pilgerlass vom letzten heiligen Jahr. In meinem Credencial war eigentlich noch reichlich Platz für Stempel, auch für den folgenden Abschnitt. Im Gespräch mit Frédéric erfuhr ich, dass er auf jeden Fall einen weiteren bräuchte. Und dann war mir sofort klar, wofür ich meinen zusätzlichen Pass verwenden würde.
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