5. Etappe von Caldas de Reyes nach Padrón (18,2 km)
Auch heute war es eine eher durchwachsene Nacht. Das lag weniger am der Geräuschkulisse, sondern an der Beschaffenheit des Bettes. Jedes Mal, wenn ich mich umdrehte, spürte Susanne diese Bewegung und wachte wohl dadurch mehrmals auf. Einmal wurde ich auch wach und erwischte Susanne, als sie nach der Transportmöglichkeit für ihren Rucksack suchte. Für heute ist es bereits zu spät, aber für die lange Etappe am letzten Pilgertag reicht es noch. Gegen 6 Uhr ist die Nachtruhe dann endgültig vorbei und wir machen uns langsam fertig. Dabei lassen wir uns wie in den vergangenen Tagen sehr viel Zeit. Erst 7:40 Uhr treten wir aus dem Haus auf die Straße.
Der Ruckssacktransport durch die spanische Post ist bestellt und kostet lediglich 6 Euro. Dafür belastet Susanne morgen ihrr Füße nicht mit dem Gewicht. Im Übrigen habe ich jetzt für meinen Rucksack die richtige Einstellung gefunden. Bisher hatte ich das Gefühl, er sitzt nicht richtig auf dem Beckenknochen und schmerzt an der linken Schulter.
Viele Pilger sind noch nicht auf den Beinen und es herrscht eine seltsame Stille. Erst nach einer Weile sind Vögel zu hören und in der Nähe rauscht ein Bach. Die ersten Geräusche von Trekking-Stöcken nähern sich von hinten und vereinzelt sitzen Pilger am Rand und pausieren. Es geht leicht aufwärts bis nach O Cruzeiro, der ersten Ortschaft hinter Caldas de Reyes. Hier machen wir wie geplant in der Bar Esperon unsere Frühstückspause mit der üblichen Bestellung.
Es dauert etwas länger, denn nicht nur wir hatten diese Idee. Alle Tische sind belegt. Für die Wartezeit entschädigen die Boccadillos, sie sind riesig. 2015 war ich mit Jörg auch hier. Damals wurde jeder Pilger aufgefordert, sich ab der Wand eines Nebenraumes mit seiner Unterschrift zu verewigen. Das hatten wir auch gemacht, und zwar als so ziemlich die ersten, die dazu die Decke genutzt hatten. Ich bin neugierig und werfe einen Blick zu der besagten Stelle, und siehe da, unser Eintrag vom 24.06.2015 existiert immer noch, allerdings inzwischen umrahmt von unzähligen anderen Namen.
Nach einer guten Dreiviertelstunde packen wir unsere Sachen zusammen. Inzwischen ist auch der Krachmacher von gestern eingetroffen. Nur schnell weg und vor ihm auf der Piste sein. Wir spüren sofort, dass mittlerweile wesentlich mehr auf dem Camino los ist. Rund um die Bar sitzen Pilger auch am Straßenrand und pausieren. Nur kurze Zeit später erklingt hinter uns laute Musik, unser Camino-DJ ist im Anflug. Ja, er hat wirklich ein hohes Tempo drauf und ist bald schon weit vor uns. Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Denkste, an der nächsten Ecke hat er wieder etwas entdeckt und zückt die Kamera. Es folgt eine weitere Bar und der DJ läuft zielstrebig darauf zu. Und weg ist er für heute.
Dafür befinden wir uns jetzt mittendrin, und zwar in einer aus mehreren Grüppchen zusammengewürfelten Formation, inklusive zwei Hunden. Wir laufen auf einem welligen Kurs und die 20er-Gruppe mischt sich ständig durch. Wir, außer uns alles Spanier, bleiben ein paar Kilometer zusammen und verlieren uns erst an der dritten Bar des Tages. Da sind wir nämlich wieder nur noch zu zweit und haben beide ein Eis in der Hand. Die letzten Kilometer bis Padrón vergehen sehr schnell, es ist auch ein recht flaches Stück Weg. Gegen 13 Uhr treffen wir in Padrón in der Pension Flavia ein. Unser Zimmer liegt wieder im vierten Stock und wir haben vom Fenster aus eine schöne Aussicht auf den gerade stattfindenden Markt sowie im Hintergrund das Convento de Carmen. Duschen, waschen, Marktbesuch, das ist jetzt das Programm.
Zuerst laufen wir über den Markt, der sich teilweise schon im Abbau befindet. Danach drehen wir eine Runde durch Padrón und können gerade noch die Igreja de Santiago besuchen. Das war mir bei meinen ersten beiden Besuchen hier nicht vergönnt. Einen schönen Stempel gibt es obendrauf. Besonderheit der Kirche: hinter dem Altar wird der Stein aufbewahrt, an dem das Boot mit dem Leichnam des Jakobus festgemacht hatte. Danach gehen wir in Richtung öffentliche Herberge und zum Convento do Carmen, von dem man einen schönen Ausblick auf Padrón hat.
Etwas weiter oberhalb liegt der Ort, an dem Jakobus zum ersten Mal auf der iberischen Halbinsel gepredigt haben soll. Um dort hoch zu gelangen, muss man sich auf die Wallfahrt zum Santiaguiño do Monte begeben und das sind 114 Stufen aufwärts. Zum Abschluss belohnen wir uns noch im Kult-Café Don Pepe II mit Kaffee, O-Saft und Kuchen. Ein Besuch bei Pepe ist obligatorisch. Seine Geschäftsräume sind vollgestopft mit Andenken von Pilgern aus der ganzen Welt. Zurück in der Unterkunft kläre ich noch ab, wo Susanne Rucksack morgen deponiert werden muss. Das mache ich mir einfach und nutze die Übersetzer-App, die mir unser deutscher Landsmann in Pontevedra empfohlen hat. Klappt gut damit.
Bevor wir uns zum Abendessen in die Stadt aufmachen, baue ich eine Konstruktion aus Wäscheleine, zwei Türknaufe eines Wandschrankes und der Verankerung des Fernsehers. Ich brauche ein paar Versuche, doch dann hängen vier Kleiderbügel mit bereits auagetropften Kleidungsstücken vor dem geöffneten Fenster. Hoffentlich sind die morgen früh trocken.
Wir lassen uns dann in der Stadt in der Taberna Tipica O Paraiso nieder und bekommen ein gut durch gebratenes Stück Beef und eine Tortilla. Letztere kommt aber erst, als ich meinen Teller schon leer habe. Wie sagt Susanne doch so passend: "Weiß man hier, dass man in Deutschland zusammen isst?" Aber lecker ist es trotzdem. Auf dem Heimweg treffen wir noch die drei Brüder aus Kaiserslautern, die zwei große Pizzen verdrücken. Ihr Mutter wollte lieber in der Unterkunft bleiben. Sie fliegen schon am Dienstag wieder nach Hause. Sie haben sich heute die Pedronia abgeholt, eine Pilgerurkunde, die man in der öffentlichen Herberge von Padrón bekommen kann. Wir quatschen noch etwas und verabschieden uns von den Dreien. Morgen haben wir den längsten Tag vor uns, aber es geht zum Ziel unserer Pilgerschaft, nach Santiago de Compostela.
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