Die drei kleinen Flaschen Estrella von gestern Abend haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Wir haben in unserem "Männer- Schlafsaal" sehr gut geschlafen. Kein Wunder, wir waren alleine und keine störenden Aufbruchgeräusche von anderen Pilgern waren zu vernehmen. So wird es heute nach 7:00 Uhr, als wir unsere Betten verlassen. Wir haben auch keine Eile, da nur rund 11 km bis Betanzos anstehen. Olli ist heute deutlich flotter als ich, doch dann wird es auch für mich allmählich Zeit, dass ich meinen Rucksack vorbereite. Da müssen nämlich heute meine Wanderstiefel mit rein, da ich in Sandalen laufen werde. Es wird dann doch noch kurz nach 8:00 Uhr, bis wir aufbrechen. Als wir aus der Herberge treten, werden wir von einem Schwarm Möwen lautstark begrüßt. Sie scheinen uns ein paar Meter begleiten zu wollen, drehen dann aber doch ab. Zunächst geht es eine Weile durch Mino. Wir sind überrascht, wie groß der Ort tatsächlich ist und wie wenig um diese Uhrzeit am Sonntag morgen los ist. Einzig das Geräusch eines Staubsaugers ist auszumachen - ein Mann reinigt das Innere seines Autos. Es ist noch frisch, allerdings befinden wir uns derzeit auf der Schattenseite von Mino. Nun geht es abwechselnd auf und ab und ich ziehe die hinteren Riemen meiner Sandalen hoch, damit ich nicht mit den Füßen heraus rutsche. Bei jedem Schritt macht sich Bernd ein wenig bemerkbar, doch ich versuche ihn einfach zu ignorieren. Hilfreich ist dabei die herrliche Landschaft um uns herum. Wir durchlaufen grüne Waldabschnitte und alte, galizische Dörfer. Im Wald spielen unzählige Vögel verstecken mit uns. Wir sehen sie so gut wie gar nicht, wir hören sie nur. Am Rande der Wege begleiten uns plätschernd und gluckernd kleine Bäche, die irgendwohin ins Tal hinab fließen. Am Ende eines langen Anstiegs werden wir mit der offenen Pforte der Iglesia San Pantaleon das Viñas belohnt. Das romantische Kirchlein strahlt eine gewisse Ruhe aus, die uns nach dem Anstieg gut tut. Jetzt folgt endlich auch einmal eine Bergabpassage bis Viñas. Dort empfängt uns ein Schild mit dem Hinweis auf eine Bar mit Pilgerstempel - leider (noch) geschlossen. So laufen wir halt weiter, erneut geht es aufwärts zu einer Siedlung, wo uns ein krähender Hahn begrüßt. Er wollte uns wohl den Tipp geben, an der nächsten Bushaltestelle um die Ecke endlich mal eine Pause einzulegen. Das machen wir dann auch und verzehren das restliche Baguette vom gestrigen Abend. Nach einem letzten mühsamen Anstieg treffen wir an einer Kreuzung auf das Kirchlein St. Martin do Tiobre, das natürlich verschlossen ist. Ab jetzt wird es einfacher. Wir haben bereits freien Blick auf Betanzos und verlieren mal mehr, mal weniger an Höhe. Hier begleiten uns auch zwei kleine Hunde, von denen der kleinere uns böse anschaut und laut kläffend verfolgt. Die ersten Straßen der Stadt lassen schon etwas von der Schönheit der Häuser erahnen. An einer Kreuzung entdecken wir den Hinweis auf eine Bar, von dem wir zu gerne Gebrauch machen. Zwei Minuten später es ist per Glockenschlag 11:00 Uhr und wir bestellen zwei Bocadillo mit Käse und Schinken. Frisch gestärkt machen wir uns eine halbe Stunde später auf den Weg über den Rio Mandeo und betreten durch ein altes Stadttor den mittelalterlichen Bereich der Stadt. Da die Herberge nach bis 13:00 Uhr geschlossen ist, statten wir der Igrea Santa Maria do Azougne, der Igrea de San Francisco sowie der Igrea de Santiago Besuche ab. Daneben spazieren wir ein wenig durch die kleinen Gassen und erfreuen uns des Anblickes der typisch galizischen Häuser mit ihren breiten Erkern, die zuweilen über mehrere Stockwerke verlaufen. Pünktlich per Glockenschlag um 13:00 Uhr öffnet die Herberge und wir werden von Hospitalero Fernando aufgenommen. Er ist sehr herzlich, hilfsbereit und spricht gut Englisch, sodass wir eine rege Unterhaltung führen können. Von ihm bekommen wir einige gute Tipps für den heutigen Tag und die morgige Etappe. Die Herberge selbst ist vor drei Jahren umgebaut worden und befindet sich in einem Top-Zustand. Olli und ich sind froh mit diesen Glücksgriff. Wir genießen den restlichen Tag in der Stadt, denn es gibt zahlreiche Cafes und Bars mit Außenbereichen rund um die Hauptplätze. Zunächst besorgen wir Wasser für morgen, denn wir wollen früh los und da wird wohl noch keines der Geschäfte geöffnet sein. Fernando gibt uns noch einen heißen Tipp für eine Pulperia und bestätigt telefonisch bei Maria unsere Unterkunft in Sigüeiro. Gerade schlagen die Glocken der Santiago Kirche die sechzehnte Stunde. Ab jetzt sind die Gotteshäuser wieder geöffnet und wir ziehen wieder los, um auch noch die Igrea de Santo Domingo anzusehen. Wir trinken in einer Bar etwas Kühles und beobachten die laut schreienden Möwen am Himmel. Nach einer weiteren Runde durch die Stadt und am Ufer des Rio Mandeo gelangen wir noch einmal an die San Franziskus-Kirche, wo ich feststelle, dass dort um 18:00 Uhr ein Gottesdienst stattfindet, dem ich gerne beiwohnen möchte. Zu meiner Verwunderung muss ich aber zunächst feststellen dass es davor noch ein Rosenkranz gebetet wird. Nach der Messe gehe ich zurück zur Herberge und hole Olli ab, dann ist es nun Zeit für das Abendessen. Wir wollen in die Pulperia gehen, die uns Fernando empfohlen hat. Olli isst um ersten Mal Pulpo und er scheint nicht abgeneigt zu ein. Anschließend laufen wir wieder in die Herberge, unterhalten uns noch ein wenig mit Fernando und bekommen noch ein Buch - allerdings in Spanisch geschrieben - über den Camino Ingles geschenkt. Die Verabschiedung fällt entsprechend herzlich mit einer Umarmung aus. Danach beginnt für uns die Vorbereitung für die Nachtruhe und es wird still im Schlafsaal.
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